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Daß er ungetötet bleibe,
Zeigt er essend ohne Hehl.

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Und das Weib zum Baume greifet;

Aber wehe! vor ihr schnell
Zu der Erde niederschweifet
Todesengel Azrael.

Sie gedacht in tiefem Leide,

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Daß sie nicht alleine sterb.

„Sterben wir doch besser beide,
Daß kein Weib ihn mehr erwerb.“

Zu dem Mann ist sie geeilet,
Der bei seinem Buche steht;

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Bis die Sünde er geteilet,

Eher sie nicht von ihm geht.

Und der Herr sah es mit Neide,
Und aus Adams Händen schwebt
Weg das Buch, daß er mit Leide

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Seinen Blick zu Gott erhebt.


Und er schlug sein Haupt und weinte,
In den Gichon-Fluß sich stellt,
Und so jammerte und weinte,
Daß er bis zum Haupt ihm schwellt.

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Und der Schimmer seines Leibes

Rostet und wird träg und schwer,
Und es wird zum Fluch des Weibes,
Daß mit Schmerzen sie gebär.

Gott stürzt sie vom Paradeise,

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Und sie stürzten ab, getrennt;

In der Erde tiefstem Kreise
Adam sich zuerst erkennt.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_140.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)