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In meinen Adern quillt die Wärme deines Leibes,

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Und deiner Augen Glanz erstrahlt in meinen Blicken,

Des Wunderbaren Schauer, der Zunder deines Glaubens,
Verzehrt nun meinen Geist in Flammen – dem Entzücken.

Und grau, wie einstens dir, die Tage mir verrinnen,
Mein Tag hat keine Blüten, des Lenzes Herrlichkeiten,

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Die dürre Lebensfrucht, mit unerquickten Sinnen,

Umweht von deinem Hauch, pflück’ ich vom Baum der Zeiten.

Die Armut lehrte ihn bald über das Leid der Menschheit nachdenken und Melancholie ist der treue Begleiter seiner ersten dichterischen Schöpfungen.

Von nicht geringem Einfluße war der Umstand, daß er seine Erziehung in einer Realschule genoß. Er kam hiedurch in eine für seine Entwicklung höchst bedeutungsvolle intime Beziehung zu den Naturwissenschaften. Der kundige Leser wird den in diesen Wissenschaften wohl erfahrenen und aus ihren Errungenschaften sein Weltbild ableitenden Denker und Propheten leicht erkennen. Dazu kam aber ein planmäßiges Studium, das er nach absolvierter Realschule als Lehrer in verschiedenen Orten emsig betrieb: antike und moderne Sprachen, Philosophie aller Zeiten, nicht zum geringsten Teile der ihm so nahe stehenden indischen Weltweisheit, der mittelalterlichen Mystiker und Heiligen und Schopenhauers. Daneben ein tiefes Eindringen in die zeitgenössische Literatur aller Nationen. Wohl am nächsten steht im Maeterlinck, Emerson und Walt Whitman. Aber seine Eigenart besteht einerseits in seiner Sprache, die in höchst souveränen Bildern seine Gedanken zum Ausdrucke bringt und anderseits in seinem kühnen Versuche, eine den wissenschaftlichen Anforderungen völlig genügende, das metaphysische und das Glückseligkeitsbedürfnis des Menschen befriedigende religiöse Weltauffassung zu konstruieren.

Ohne philosophische Vorbildung wird man an die Lektüre seiner Werke kaum gehen können und ohne Geduld wird man zum Genusse ihrer Schönheit nicht gelangen. (Es ist verhältnismäßig wenig, was der Dichter geschrieben hat. 1895 erschien seine erste Gedichtsammlung „Geheimnisvolle Fernen“, 1896 „Morgendämmerung im Westen“, 1897 „Winde von den Polen“, 1899 „Baumeister des Domes“, 1901 „Hände“, 1903 seine Essays unter

Empfohlene Zitierweise:
Otokar Březina: Emil Saudek (Übers.): Hände. Moriz Frisch, Wien 1908, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BrezinaH%C3%A4nde10.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)