Seite:Buch der Bücher (Putjatin) 103.jpg

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Die Erotomanie ist die niedrigste und gefahrvollste aller thierischen Leidenschaften, und eben so sehr verschieden vom wahren Genusse, als ein erquickliches Erwärmen von der Mordbrennerei; als ein wohlthätiges Erwerben von der Dieberei; und als eine belebende edle Kost von der verächtlichen und todbringenden Schwelgerei.

Die reine und wahre Liebe, jenes Allerheiligste im Gemüthe der Menschen, wird durch die Erotomanie entheiligt, verunehrt und zerstört. Ein Blick, ein Wort, ein Händedruck ist in der reinen Liebe oft himmlische Nahrung für Tage, Monate und Jahre; in der Erotomanie dagegen sind alle Mittel sehr kostenvoll, und durch keines von allen wird irgend ein guter Zweck erreicht. Tod und Verderben sind, für das Einzelwesen, so wie für das Allgemeine, das furchtbare Ergebniß einer jeden unkeuschen Liebe. Das Gold und die Diamanten der wahren und reinen Liebe gehen in der Erotomanie in zerstörende Auflösung über, in Verwesung hauchende Fäulniß und Pestilenz.

Für die wahre und reine Liebe werden die Menschen nie zu alt; für die Erotomanie dagegen ist das Leben sehr kurz. Ja, es giebt gar kein Leben für jene entehrende Leidenschaft, sondern nur einen Zustand

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Nikolai Abramowitsch Putjatin: Worte aus dem Buche der Bücher. Dresden 1824, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Buch_der_B%C3%BCcher_(Putjatin)_103.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)