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X Einleitung.


weisen auf eine neuerdings von mir ausgeführte allgemeinere Untersuchung[1], bei welcher die Voraussetzung unterdrückt ist, die Voraussetzungen hingegen ungeändert beibehalten sind. Das Resultat dieser Untersuchung besteht schlieslich darin, dass man für die ponderomotorischen Kräfte wiederum das Ampère’sche Elementargesetz, andererseits für die elektromotorischen Kräfte ebenfalls das vorhin angegebene Elementargesetz erhält. — Dieses Resultat dürfte einigermassen dazu angethan sein, das Zutrauen zum Ampère’schen Gesetz zu steigern.

     Bekanntlich ist in den letzten Jahren von Helmholtz der Versuch gemacht worden, das Ampère’sche Gesetz umzustossen, und an seine Stelle ein anderes Gesetz treten zu lassen, welches von Helmholtz selber in seinem letzten Aufsatz[2] als „Potentialgesetz“ bezeichnet wird. Doch scheint diese Helmholtz’sche Theorie, wie ich schon im vergangenen Jahr äusserte[3], und wie ein wenig später auch von Riecke bemerkt worden ist [4], in diametralem Widerspruch zu stehen mit einer bekannten experimentellen Thatsache. Denn bringt man das Helmholtz’sche „Potentialgesetz“ in Anwendung auf einen sogenannten elektromagnetischen Rotationsapparat, so wird das von dem Magnet (oder Solenoid) auf den beweglichen Stromleiter ausgeübte Drehungsmoment, berechnet nach dem „Potentialgesetz“, nothwendig Null sein, so dass also jener Stromleiter, falls er zu Anfang in Ruhe ist, beständig in Ruhe verharren müsste, was der Erfahrung widerspricht.

     Dass das erwähnte Drehungsmoment, nach dem „Potentialgesetz“ berechnet, Null ist, hat Helmholtz in seinem letzten Aufsatz anerkannt[5]. Nach seiner Ansicht ist indessen wesentlich Rücksicht zu nehmen auf diejenigen Vorgänge, welche bei einem solchen Apparat an der Gleitstelle stattfinden; denn an dieser Stelle seien die Stromleiter entweder durch Quecksilber oder (im Falle federnder Reibung) wenigstens durch eine dünne Uebergangsschicht mit einander verbunden; nach dem „Potentialgesetz“ müssten aber die Stromfäden im Quecksilber oder in der Uebergangsschicht gewisse Winkeldrehungen


  1. Abhandlungen der Kgl. Sächs. Ges. d. Wiss., 1873, pag. 419, sq.
  2. Monatsberichte d. Kgl. Akad. zu Berlin vom 6. Februar, 1873.
  3. Ber. d. Kgl. Sächs. Ges. d. Wiss. vom 3. Aug. 1872, pag. 157 (in den Separatabzügen auf pag. 16); vergl. auch die Math. Annalen, Bd. V. pag. 614, und d. vorliegende Werk, pag. 77, seq.
  4. Nachrichten d. Kgl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen vom 14. Aug. 1872, pag. 8
  5. Monatsbericht d. Kgl. Akad. zu Berlin vom 6. Februar 1873, pag. 102.
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Carl Gottfried Neumann: Die elektrischen Kräfte. Leipzig 1873, Seite X. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Carl_Gottfried_Neumann_-_Die_elektrischen_Kr%C3%A4fte_014.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)