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Bilde hinter dem Altar des Ulmer Münsters gehen die Verdammten in den Höllenrachen, die Seligen aber in eine grosse Sonne ein. Dasselbe wiederholt sich auf einem Stich Albrecht Dürers. Heller, A. Dürer II. 2. 781.

Christus als Sonne. Die Sonne der Geisterwelt trat in die umnachtete Welt ein in der heiligen Weihnacht, in derselben Stunde, in welcher die physische Sonne in ihrem Wintersolstitio steht und von wo an sie sich aus ihrem tiefsten Stande wieder höher und höher hebt, die Tage verlängert, Frühling und Sommer herbeiführt. Wenn daher auch in früherer heidnischer Zeit in derselben Solstitialzeit die Geburt des neuen Jahressonnengottes gefeiert wurde, dies natalis invicti (sc. solis),[1] so hat doch die christliche Weihnachtsfeier eine ganz andere, rein geistige Bedeutung, und das Solare ist hier nur Symbol. Christus erleuchtet und befruchtet auf geistige Weise die Menschheit, wie die Sonne auf leibliche Weise die Erde. Man hat die Opfer, welche die heiligen drei Könige dem neugebornen Heilande darbringen: Gold, Myrrhen und Weihrauch, als alte, der Sonne heilige Symbole erkannt. Man hat auch das Osterlamm auf den Sonnenstand im Zeichen des Widders bezogen. Auf dem berühmten altdeutschen Bilde der Boisserée’schen Sammlung, auf welchem das Christkind vom heiligen Christoph durch’s Wasser getragen wird, geht im Hintergrunde die Sonne auf. Wie aber Christum überall die aufgehende Sonne bezeichnet, so Johannes den Täufer die niedergehende, daher auch sein Tag in das der heiligen Weihnacht entgegengesetzte Sommersolstitium fällt. Er ist nämlich Sinnbild des durch das Christenthum bekehrten und überwundenen Judenthums. – Die heilige Schrift selbst bezeichnet Christum als Sonne. Bei Maleachi 4, 2. wird tröstend auf ihn hingewiesen, der aufgehen werde als Sonne der Gerechtigkeit. Bei Lucas 1, 78. heisst er der Aufgang aus der Höhe. In einer ambrosianischen Hymne: O sol salutis![2] und in einer andern: Splendor paternae gloriae etc.[3] Die Vergleichung mit der Sonne wiederholt sich in unzähligen Weihnachts-, Oster- und überhaupt

Anmerkungen (Wikisource)

  1. lat.: Geburtstag der unbesiegten (Sonne nämlich)
  2. O Sonne des Heils
  3. O Abglanz der Herrlichkeit des Vaters
Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_389.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)