Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 032.jpg

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bricht der Adler den höchsten dürren Zweig von der Ceder vom Libanon ab und pflanzt ihn auf den Berg Israel, dass alle Vögel unter ihm wohnen mögen; während umgekehrt ein Weinstock unter den günstigsten Umständen verdorrt, „auf dass alle Bäume erfahren, dass Ich der Herr den grünen Baum ausgedorrt und den dürren grün gemacht habe.“ Ezechiel (10.) erblickt in einem Traumgesicht Gott von vier mystischen Thieren getragen (Adler, Löwe, Stier und Mensch).

Der heilige Hieronymus bezog diese Sinnbilder auf Christus, und sah im Menschen dessen Geburt, im Stier dessen Opfertod (entsprechend dem Mithrasopfer), im Löwen dessen Auferstehung und im Adler dessen Himmelfahrt. Mehr davon im Artikel Cherubim. Die Vorstellung ist wohl aus den altpersischen und altägyptischen Flügelgestalten entlehnt, immer aber handelt es sich um Sinnbilder der göttlichen Urkräfte. Sofern die vier Thiere auch mit den Evangelien, als Offenbarungen Gottes, verglichen wurden, wurde der Adler Sinnbild des Johannes-Evangeliums und Attribut des Apostels Johannes. Auf alten Miniaturen (christl. Kunstsymbolik, Frankfurt 1839. S. 3. Twining, Symb. pl. 52.) kommt das Attribut seltsam nach ägyptischer Weise mit der Person verschmolzen vor, und man sieht den heiligen Johannes mit Adlerkopf, Adlerfüssen und Adlerflügeln, und da ihm der heilige Geist in Gestalt einer Taube aufs Ohr fliegt, kann der Adler auch hier nicht den heiligen Geist, sondern vielmehr nur die Macht und Thatkraft Gottes bedeuten. Im Mailänder Dom (Millin I. 78.) und auf Pariser Miniaturen (Waagen 380.) hält der Adler dem heiligen Johannes das Dintenfass. Giulio Romano malte den Johannes im Pallast Giustiniani schwebend auf dem Adler. Auf einem alten Bilde aus Schwäbisch Hall hackt der Adler neben dem federschneidenden Johannes einem Raben (dem Bösen) die Augen aus. Auch der heilige Augustinus hat zuweilen als Attribut den Adler bei sich, in demselben Sinne. Ebenso der heilige Ambrosius (Waagen, Paris 421.).

Sofern der Adler als wiederaufsteigend zum hohen Himmel, seiner Heimath, gedacht wurde, erscheint er als Sinnbild

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_032.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)