Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 055.jpg

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Nachtgöttin, indem sie während des Neumonds feiern und nicht arbeiten. Wenn nach Porphyrius, de antro nymph. 16 flgd. und Macrobius, somn. Scip. I. 12. alle Geburt der Dinge durch Sündenfall und Herabsinken aus dem Himmel in der Sommersonnwende und umgekehrt alle Wiedergeburt und Rückkehr zum Himmel in der Wintersonnwende erfolgte, so scheinen die Ameisen Sinnbilder der zur irdischen Arbeit und Plage verurtheilten, dagegen die Bienen Sinnbilder der zum Himmel heimkehrenden Seelen gewesen zu seyn, jene zur Nacht des Winters tendirend, diese zum Lichte des Frühlings. – Ich gehe auf diese ältere heidnische Symbolik hier nur deshalb ein, weil sie sich in einer christlichen erhalten hat. Zu Bologna steht eine Kirche auf dem monte delle formiche (Ameisenberge). Jährlich am 8. September, als am Geburtstage der Madonna, sollen sich auf dem Altare derselben eine Menge geflügelter Ameisen einfinden und todt darauf liegen bleiben. Sie werden von den Mönchen als ein Mittel gegen den Hautwurm (das Ameisenübel, male di formica) verkauft. Keysslers Reise S. 964. An demselben Tage, aber nur alle sieben Jahre, versammeln sich die Ameisen in der Bergkirche Unserer Lieben Frau zu Worresch in Krain. Hormayr, Taschenb. 1834, S. 263. Kaltenbäk, Mariensagen S. 234. Jährlich zu Igg in Krain. Valvasor, Ehre des Erzh. Krain. II. 751. Da nun der Tag Mariä Geburt dem Herbstäquinoctium sehr nahe fällt, so scheint dieses Fest eine ältere heidnische Feier verdrängt und im christlichen Sinn veredelt zu haben, eine Feier, in welcher es sich von dem Hinabsteigen des sommerlichen Lichtreichs und vom Aufsteigen des winterlichen Nachtreichs handelte. Die Jungfrau Maria musste als ein Nacht- und Winterwesen gedacht werden, sofern ihr Sohn Christus mit der in der Wintermitte gebornen Sonne verglichen werden sollte. – Die Erscheinung der Ameisen an Mariä Geburt könnte auch noch eine andere Beziehung zulassen, wenn man erwägt dass nach einer sehr alten indischen Vorstellungsweise die Ameise unter allen erschaffenen Thieren das letzte gewesen

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_055.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)