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und Stacheln besetzte Brücke führen sollte, und einen Andern, der ihm mit einem vormals gleichfalls gestohlenen schweren Sack Korn entgegenkam, also dass Beide einander nicht ausweichen konnten und mit ihrer Last in tödtlicher Angst schwebten, in den Abgrund unter ihren Füssen hinabzustürzen. Görres, Gesch. d. Mystik III. 100. Eine Brücke, die sich für den Gerechten erweitert, für den Sünder verengt, sah auch Albericus in seiner Vision. Vgl. Ozanam, Dante. Münster 1844, S. 305.

Im altwendischen und altdeutschen Glauben galt jede Brücke als eine Concession des Flussgottes, des im Wasser herrschenden Nixen, dem man daher nach heidnischer Sitte ein Opfer schuldig war. Auch hütete man sich, wenn man sich einer Schuld bewusst war, über die Brücke zu gehen, weil dann der Nix Gewalt über den Menschen bekam. In der christlichen Zeit wurden aus demselben Grunde die Brücken geweiht und mit Kreuzen oder einem schützenden Heiligenbilde versehen, um den jetzt als Teufel gedachten Dämon des wilden Wasserelements im Zaume zu halten. Auch gehörte der Bau einer nützlichen Brücke vorzugsweise zu den guten Werken, und Sünder, die sich Gnade von Gott erkaufen wollten, oder Verwandte, deren Angehörige wegen schwerer Schuld hingerichtet worden waren, bauten zur Sühne Brücken.

Benedikt von Avignon, ein armer Hirtenknabe, hörte im Jahre 1177, als er seine Heerde auf den Bergen bei Avignon weidete, während einer Sonnenfinsterniss die Stimme des Heilands, der ihm befahl, bei jener Stadt eine Brücke über die Rhone zu bauen. Gehorsam ging der Knabe zur Stadt, konnte aber nicht über den Fluss. Einen Juden, der Fährmann war, bat er, ihn um der Liebe Mariä willen überzuführen. Dieser aber sagte: „Ich habe lieber drei Pfennige, als die Liebe deiner Maria.“ Da gab ihm der Knabe die einzigen drei Pfennige, die er hatte, fuhr über und schrie mit heller Stimme durch die Strassen von Avignon: „Der Herr hat mich gesandt, um eine Brücke über die Rhone zu bauen.“

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_154.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)