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Entscheid auf der Synode zu Constantinopel im Jahre 692, wonach die nicht menschlichen Darstellungen verworfen, eine menschliche ausdrücklich verlangt und die schöne typische der Abgarusbilder festgestellt wurde. Didron, man. p. 163. – Da nahmen sogar die Veronicabilder den schönen und heiteren Typus an. Aber auch die ältere deutsche und italienische Malerei hielt diesen Typus fest. Jedoch kam das Hässliche unter dem Vorwand des Natürlichen und Schmerzhaften in der abendländischen Kunst wieder auf und wurde sogar, wenigstens in den Crucifixen, in den letzten Jahrhunderten vorherrschend. In diesen neuern Zeiten hatte man keinen Grund mehr, die menschliche Seite des Mittlers gnostischen Häresien gegenüber zur Geltung zu bringen; es handelte sich daher nur von einem verwerflichen Naturalismus, in welchen die Kunst fiel, nachdem ihr das heilige Ideal abhanden gekommen war. In diesen Naturalismus versteckte sich viel Rohheit, ja sogar Grausamkeit. Man muss zweifeln, ob immer allein tiefes Schmerzgefühl und Mitleid, ob nicht auch oft eine unwillkürliche Henkerslust den Malern die Hand geführt hat, wenn sie den Heiland bluttriefend, in abschreckender Hässlichkeit malten, um den Sieg des Fleisches über den Geist im Schmerze zu beurkunden, den andere in Marien- und Magdalenenbildern vielmehr in einem koketten Ausdruck suchten. Damit soll indess der wahren Heiligkeit des Schmerzes in den bessern, namentlich spanischen Bildern des ecce homo oder des sterbenden Heilands nicht zu nahe getreten werden. Beschämend aber ist es für unsere Zeit, dass, während es jetzt gerade darauf ankäme, dem extremen Naturalismus in der Kunst, wie dem Rationalismus, der an Christo nichts Göttliches mehr anerkennt, Christusbilder von hoher Idealität entgegenzusetzen, es den Malern an Geist, d. h. an Glauben, dazu bis jetzt noch zu gebrechen scheint. Denn die berühmtesten Christusbilder der Neuzeit kommen den älteren an Heiligkeit nicht gleich, wenn man auch Ausdruck und selbst Schönheit keineswegs in ihnen vermisst.

Die Künstler suchen ihr Verdienst theils in der Anatomie

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_178.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)