Seite:Christliche Symbolik (Menzel) I 186.jpg

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hist. Albig. bei Duchesne script. hist. Franc. V. 556. Die rechtgläubige Kirche hat dem bösen Princip nie eine Gleichstellung mit dem guten zugestanden. In der Bibel selbst ist das Verhältniss am klarsten gemacht in der Versuchung Jesu in der Wüste. Der Versucher ist hier kein anderer als Lucifer, der den Sohn Gottes bewegen will, sein Beispiel nachzuahmen und sich von Gott loszusagen. Die Herrlichkeit, welche der Versucher dem Heiland zeigt, ist die Freiheit, die Zaubermacht des Geistes, die sich alle Herrlichkeit der Sinnenwelt schaffen kann, aber eben deshalb ein übertünchtes Grab, ein gleissender Sodomsapfel, innerlich von Asche. Christus bleibt im Gehorsam gegen den Vater, darum wird er König des wahren Himmels im Gegensatz gegen jenen Scheinhimmel Lucifers, und „die Engel traten zu ihm und dienten ihm“.

Christus erwiederte den Besuch und fuhr nieder zur Hölle. Zwischen seine Grablegung und Auferstehung fällt diese Fahrt, durch die er nach den Apokryphen die Patriarchen erlöste, die aber überhaupt den Sieg des obern Princips über das untere bezeichnet. Vom Sündenfall des ersten Adam bis zur Menschwerdung des zweiten hat Lucifer ein gewisses Recht. Dem Engelfall ist der Menschenfall gefolgt und die Erlösung ist noch nicht zu Stande gekommen. In dieser ganzen langen Zeit des Heidenthums und Judenthums ist die Menschheit gleichsam umnachtet, im Netz der feindlichen List und Gewalt; da erscheint der Welterlöser und durchreisst jenes Netz des Bösen. Indem er nach dem apokryphen Evangelium Nicodemi 20. die Pforten der Hölle sprengt, um die Patriarchen freizumachen, ist das schon eine symbolische Befreiung der Menschheit überhaupt aus der Macht der Hölle. Dieselbe wird erst vollendet beim Weltgericht. Was die Bibel von Maria sagt, sie werde der Schlange den Kopf zertreten, ist nur möglich durch ihren Sohn. Was sie ferner vom Siege des Erzengels Michael über Satan sagt, ist gleichfalls auf Christum zu beziehen, ohne dessen Leiden und Sterben auch jener Sieg des Engels

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_186.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)