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galt der alten Symbolik als Baum des Lebens, war grün und trug rothe Aeste; später wurde der ganze Stamm roth gemalt (Didron, icon. p. 421.), welche Farbe aber hier nicht mehr auf das Leben, sondern vielmehr auf den blutigen Tod gedeutet wurde. Auf den berühmten Korssun’schen Thüren in Nowogrod ist das Kreuz aus zwei rohen Palmenstämmen gefügt; eben so in der Kirche S. Paolo fuore delle mure bei Rom. Wiener Jahrb. XXV. 298. Als Weinstock wird das Kreuz aufgefasst in einem altdeutschen Volkslied, Uhlands Volksl. I. 883. Eben so auf einem alten Kupferstich von C. de Mallery. Ein Crucifix in der Lorenzkirche zu Nürnberg bricht an allen Enden in Rosen aus.

Alttestamentalische Vorbilder des Crucifixes sind erstens die von Moses aufgerichtete eherne Schlange; zweitens wegen der Seitenwunde Christi am Kreuze der Fels, aus dem Moses mit seinem Stabe das die Durstenden rettende Quellwasser schlug. Als Vorbilder sind diese Scenen häufig den Kreuzigungsbildern zugetheilt. Vgl. Schnaase, niederl. Briefe 300. Kugler, Gesch. der Malerei II. 61.

Symbole des Crucifixes sind das Opferlamm, der Pelikan.

Als widerwärtige Ketzerei erscheint der mannweibliche Christus-Achamoth am Kreuze auf gnostischen Bildern. Neander, Gnostiker S. 202. Tiefsinnig und edel dagegen sind die öfter vorkommenden alten Kirchenbilder, auf denen Gott der Vater im päpstlichen oder kaiserlichen Ornat das Crucifix in seinen Armen hält. Didron, icon. p. 232. 265.

Der Heiland selbst wurde am Kreuze früher nicht so leidend dargestellt, sondern betend und heiter, gewöhnlich im rothen Gewande (Königspurpur), in einem alten Evangelienbuch in München mit Königskrone und Priesterstola. Kugler, Gesch. der Malerei I. 14. Mit einer Krone von Edelsteinen und in kostbaren Kleidern in Lucca. Keyssler, Reise 343. Vgl. Kunstblatt 1847, S. 15. Das ist der im Leiden triumphirende Christus. Das wirkliche Leiden darzustellen, machten sich später die Künstler der Kirche zur wichtigsten Aufgabe, die sie jedoch fast nie auch nur annähernd

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_197.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)