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lebendig eingemauert wurden, deren Leben man aber unterhielt unter der Bedingung, dass sie unaufhörlich für das Volk beten sollten. – Von einem Kapuziner in Besançon wird erzählt, er habe von den Mauern herab auf die Feinde geschossen, aber bei jedem Schuss zugleich für die Seele des Getroffenen gebetet.

Der ärgste Missbrauch des Gebets findet statt in den sogenannten Diebssegen und Zauberformeln, in denen Bösewichte die allerhöchsten Namen anrufen, um dadurch ihrem verbrecherischen Vorhaben einen guten Erfolg zu sichern. Wenn man einen Psalm rückwärts liest und zwischen jedem Wort den Namen seines Feindes nennt, soll man denselben tödten können. Das nennt man, Einen zu Tode beten. Temme, Volkssagen aus Ostpreussen 267.


Geburt.

Schutzpatronin aller Geburten ist die heilige Margaretha, weil sie, von einem Drachen verschlungen, durch das Kreuzzeichen den Bauch desselben sprengte und aus ihm siegreich hervortrat. Ihr Gürtel wurde von kreisenden Frauen in schweren Geburten angelegt, oder ihre Legende den Frauen in solcher Nothzeit vorgelesen.

Eine talmudistische Fabel erklärt das Weinen der Kinder nach der Geburt gar sinnreich. Ein Engel nämlich soll die Kinder unmittelbar vor der Geburt in das Paradies führen und ihnen die Herrlichkeit zeigen, die sie durch Adams Schuld verloren haben. Indem sie nun geboren werden, wirkt in ihnen noch der schmerzhafte Eindruck des verlornen Paradieses nach, wenn sie sich dessen auch nicht mehr zu erinnern wissen.

Wunderbare Geburten in der Legende: Der heilige Edmund kam so rein zur Welt, dass er keines Bades bedurfte; der heilige Julianus mit zum Segen aufgehobenen zwei Fingern. Die Mutter des Aeneas Sylvius träumte, sie gebäre ein Kind im Bischofskleide; die des heiligen Columban,

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_314.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)