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wanderten den ganzen Tag; da ward es Nacht. Sie ruhten und Idris hungerte. Der Engel wies ihm ein weidendes Schaf, aber Idris wollte sich, als an fremdem Gute, nicht an dem Schaf vergreifen. Am andern Tage ging es eben so; da durstete Idris unsäglich. Der Engel wies ihm einen liegen gebliebenen Schlauch, aber auch an ihm wollte sich Idris nicht vergreifen. Am dritten Abend liess Gott über Idris eine dattelvolle Palme wachsen und zu seinen Füssen einen frischen Quell entspringen. Idris ass und trank und lud den Engel ein, dasselbe zu thun. Dieser aber sprach: „Ich esse nicht und trinke nicht, denn ich bin der Todesengel.“ „So nimm meine Seele,“ sprach Idris. Der Engel nahm sie, gab sie ihm aber auf Gottes Befehl im nämlichen Augenblicke wieder. Idris wollte nun die Unterwelt sehen, und der Engel führte ihn zu Malik, dem Pförtner der Hölle. Dieser öffnete ihm den Abgrund der Verdammniss, und Idris schauderte. Da bog sich ein Zweig aus dem Paradiese herüber, Idris klammerte sich an denselben fest und wurde leicht in's Paradies gehoben. Malik und der Todesengel saben ihm staunend nach. Hammer, Rosenöl I. 30. Weil, biblische Legenden S. 62. In Rückerts morgenländ. Sagen I. 9. ist die Legende anders und weniger schön aufgefasst. Idris darf hier das Paradies betrachten, verliert seinen Schuh darin, geht noch einmal zurück, um ihn zu holen, und darf nun darin bleiben. Eine Legende bei Herder (zur Theologie IX. 29.) gesellt dem jungen Henoch einen himmlischen Schwan zu. Mit einer demselben entfallenen Feder schreibt Henoch sein berühmtes Buch. Am Ende seines Lebens erscheint der Schwan wieder und trägt ihn in den Himmel.

In der altdeutschen Legende vom heiligen Brandanus, der durch unbekannte Meere zum Paradiese schiffte, kommt auch der himmlische Pallast des Henoch vor, durch ein Land voll ewiger Nacht in hellem Glanze schimmernd. Dadurch wird sehr sinnig die Einsamkeit bezeichnet, in der sich Henoch mit Elias allein im Himmel befunden habe.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_385.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)