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an die Stelle der orientalischen Kuppeln in der Mitte der Kirche traten im Occident die ungleich höhern spitzen Thürme theils zu den Seiten des Chors, theils an der Westseite. Ganz abweichend und selten ist im Grundriss die Triangelform, die der Dreieinigkeit entsprechen soll, z. B. zu St. Riquier. Didron, icon. p. 63.

Ganz ungewöhnliche Grundrissformen von Kirchen. Die des berühmten Escorial, darstellend den gegitterten Rost, auf dem der heilige Laurentius gebraten wurde. Philipp II. gelobte dem Heiligen eine solche Kirche zu bauen, als er einst in grosser Bedrängniss dessen Fürbitte anflehte. Hier ist das Motiv noch ein frommes. Wenn dagegen Papst Urban VIII. den Bienenkorb als das Wappen seiner Familie (Barberini) zum Grundriss der Kirche der Sapienza in Rom machte, so lag darin zu viel Hoffahrt.

Der Chor, der Altar im Osten, ausschliesslich den Priestern bestimmt und durch ein Gitter vom Schiff der Laien geschieden, ist wie das Allerheiligste in der Kirche so auch architektonisch das Orientirende und Maassgebende für das Schiff und den gesammten Kirchenbau. Der Chorschluss enthält die Grundzahl des Baues. Ist der Chor sechsseitig construirt, so dass der Schluss drei Seiten darstellt, die drei andern Seiten sich gegen das Innere der Kirche öffnen, so muss auch das Schiff der Kirche auf sechs Pfeilern ruhen. Ist der Chor achtseitig, so kommen dem Schiff acht Pfeiler zu; ist er vierzehnseitig, so dass der Chorschluss sieben Seiten zeigt, so stehen sich auch im Schiff je sieben Pfeiler gegenüber. Der Boden des Chors ist über dem des Schiffs erhöht, so dass man auf Stufen aus dem Schiff zum Chor emporsteigt. Diese Erhöhung entspricht nicht blos der höhern Stellung der Priester über den Laien, sondern dient auch, den Altar und seine Bildwerke der Gemeinde sichtbar zu machen, und lässt unter dem Boden freien Raum für die Krypta oder unterirdische Grabkapelle, die zum Andenken an die ältesten unterirdischen Kirchen (die Katakomben) beibehalten wurde. Nur in wenigen Kirchen findet man Doppelchöre,

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 481. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_481.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)