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Kreuz früher, wie etwa jetzt den Galgen, als eine Hinrichtungsmaschine für gemeine Verbrecher verachtete, und nun, seit Christus es geadelt, als das höchste Zeichen im Himmel und auf Erden verehrt.

Das Kreuz ist als Sinnbild der Welterlösung mit einer magischen Gewalt ausgerüstet, eine sichere Waffe gegen alles Böse. Daher der alte Gebrauch des Segnens Anderer mit dem Kreuz (hauptsächlich der Gemeinde durch den Priester) und der eigenen Bekreuzigung. Crux Christi terror daemonum, sagt Rupert. Tuit. p 150. In einem alten Kreuzliede des Paderborner Liederbuchs (1850) Nr. 90. wird das Kreuz genannt: die Leiter zum Himmel, die rechte Brücke, „darüber alle Frommen wohl durch den Strudel kommen,“ das Siegeszeichen, der Himmelschlüssel, der Pilgerstab, das Rosenbette. Nicht nur auf allen Kirchen prangt das Kreuz als Zeichen, wem die Kirche geweiht ist, und auf Gräbern, zum Zeichen, dass hier Christen ruhen, sondern man errichtet die Kreuze auch als Schutz gegen jegliche Anfechtung an den Wegen, besonders an gefährlichen Orten. Hiebei ist vor Missbrauch zu warnen. Das Kreuz kann auch entweiht werden. General Dumouriez fand es auf Schweinströgen zu Mergentheim und frug: Le cochon, est il aussi de l'ordre teutonique?

Die im Kreuzsymbole liegende magische, übernatürliche, unmittelbar göttliche Gewalt ist nirgends so energisch geltend gemacht, als in Calderons La devocion de la Cruz. Ein misshandeltes, verstossenes Weib gebiert in einer Wüste, indem sie das Kreuz hilfeflehend umarmt, Zwillinge, einen Knaben, und ein Mädchen, denen zum Zeichen, dass der Mutter Flehen erhört sey, ein rothes Kreuz auf der Brust angeboren ist. Beide Kinder werden getrennt und unterliegen jeder bösen Verführung, immer aber werden sie durch das heilige Zeichen gewarnt. Ohne einander zu kennen, wollen Bruder und Schwester in Liebe sündigen, als sie das Kreuz aneinander entdecken. Er als Räuber begeht grosse Verbrechen, sie als entsprungene Nonne überlässt sich Ausschweifungen; allein ihr Glauben an das Kreuz ist noch mächtiger als ihre Sünde.

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_519.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)