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Diese unglückliche Gruppe erhält auf vielen Bildern eine beträchtliche Verstärkung durch die Anwesenheit von theilnehmenden Engeln, die entweder schmerzvoll dem Blut des Heilandes goldne Kelche unterhalten oder triumphirend seinen Sieg lobsingen. Zuweilen erscheint auch Gott Vater und der heilige Geist (als Taube) in Wolken über dem Kreuz. Durch den Anblick dieses himmlischen Beistandes wird aber der Eindruck geschwächt, den das Leiden und Sterben Jesu auf uns machen soll. Auch passen die Klageworte: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ nicht mehr, wenn wir den Vater leibhaftig über dem Sohne sehen. Noch minder passend erscheint das neugierige Herbeidrängen von viel späteren Heiligen, Donatoren, Fürsten etc., die man auf vielen Bildern der Kreuzigung findet. Hat doch Lucas Cranach sogar Luther und seine Anhänger der Kreuzigung assistiren lassen (auf einem Bilde in der Schlosskirche zu Weimar). Hier gilt die Ehre nicht mehr dem Heiland, sondern den Nebenpersonen, die sich so anmassend herbeidrängen.

Die zweite Gruppe begreift die Lästerer in sich, die triumphirenden Pharisäer und Schriftgelehrten, die in der Hoffahrt ihres Geistes sich über einen Tod freuen, von dem sie wähnen, er beweise, dass Christus kein Gott gewesen sey, ohne zu ahnen, wie gerade durch diesen Tod alle Verheissungen in Erfüllung gehen und ihr eigenes Reich gestürzt wird. In den Physiognomien dieser jüdischen Gelehrten muss nicht reine Bosheit und hämische Schadenfreude, sondern vielmehr Selbstgerechtigkeit, befriedigte Eitelkeit, Dünkel des Besserwissens und jene Vornehmthuerei beschränkter Köpfe ausgedrückt werden, die in unserer Zeit Aufklärung heisst. Daneben aber muss dem eigentlichen Pöbel sein volles Anrecht an der Freude bleiben, der Kreuzigung zuzusehen. Derselbe, der „kreuzige, kreuzige!“ vor dem Richter schrie, gehört auch unter die Schaulustigen bei der Execution. Der sogenannte Höllenbreughel malte die Kreuzigung so, dass Christus ausschliesslich vom verworfensten Lumpengesindel umgeben ist. Kugler, Berliner Museum 247. Auf altdeutschen

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_524.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)