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Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821].
In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte, Hamburg 1967.

Person späterhin, als sie bei dem M. Buschendorf in Diensten gewesen, seine Bewerbungen, um derentwillen er fast täglich von Barneck hereingekommen ist, und ihr theils in der Allee, theils im Hause aufgelauert hat, nicht mehr annehmen wollen, hat er ihr nicht nur (nach der von ihr beschwornen Aussage) einstmals in der Feuerkugel mit den Worten: Höre, Canaille, du willst mir untreu werden, mehrere Schläge an den Kopf gegeben, weshalb sie ihn auf dem Rathhause denuncirt hat, sondern auch bald darauf Abends zwischen zehn und eilf Uhr an die Thür ihrer Wohnung in Englers Hause geklopft, und als sie geöffnet, ihr, da sie blos mit einem Mantel bekleidet gewesen, an die Brust gegriffen, sie auf den Hof zu ziehen gesucht, und ihr dabei (nach ihrer Aussage) mit einem großen Mauersteine, nach seinem Eingeständnisse aber mit der Faust, in der er einen Schlüssel gehabt und in der Absicht ihr eins zu versetzen, oder ihr ein Andenken zu hinterlassen und mit den Worten: Luder, du mußt sterben, zwei Schläge auf den Kopf gegeben und ihr eine Wunde von der Größe eines Kupferdreiers beigebracht, hierauf aber sich entfernt und am folgenden Tage in Gesellschaft seines Stiefbruders Richter, jedoch ohne diesem zu sagen, daß es der Schindelin wegen geschehe, auch ohne daß dieser die geringste Spur von Verstandesverrückung an ihm wahrgenommen hat, Leipzig verlassen. Nach einer mit Richtern über Berlin bis Posen gemachten zehnwöchentlichen Reise, ist er im Jahr 1806 nach der Schlacht bei Jena zu Grabow im Meklenburgischen in Holländische, sodann, nachdem er am 7. April 1807 vor Stralsund von den Schweden gefangen und nach Stockholm transportirt worden, in Schwedische, hierauf als nach dem Feldzuge in Finnland und der Entthronung Gustavs IV. sein Regiment nach Stralsund versetzt und allda von den Franzosen entwaffnet worden, in Mecklenburgische, nach dem Feldzuge in Rußland durch Desertion wieder in Schwedische und zuletzt nach der Abtretung von Schwedisch-Pommern, in Preußische Kriegsdienste getreten, aus denen er im Jahr 1818 seinen Abschied erhalten hat. Ueber seine Aufführung und seinen Gemüthszustand während dieses Zeitraums von 12 Jahren sind keine Zeugnisse bei den Akten vorhanden, er selbst aber versicherte bei den Unterredungen, welche ich im Monat August 1821 mit ihm gehabt und in denen ich ihn aufs genaueste nach allen seinen Lebensumständen gefragt habe, daß er es überall sehr gut gehabt, sich zur Zufriedenheit seiner Obern aufgeführt, sich nicht in Duelle und Schlägereien eingelassen, noch weniger aber heimlichen Groll genährt, Vergnügungen und Zerstreuungen nicht sonderlich geliebt, sich am liebsten in seinen Nebenstunden mit Versuchen in allerlei mechanischen Arbeiten, z. B. mit Erlernung der Papp- und Schneiderarbeit beschäftiget, und den Umgang mit dem weiblichen Geschlecht zwar nicht gesucht, aber auch die Gelegenheit dazu nicht verschmäht, sich aber immer mehr zu einer

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Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821]. In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte. Hamburg: Wegner, 1967, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clarus-Gutachten_495.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)