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hervorheben, damit gutmüthigen Beurtheilern eine liebevolle Entschuldigung offen bleibe.

I., 286. „Wenn ich im Bilde den Juden sehe, wie er dem Landpfleger ruft: Kreuzige, kreuzige ihn! Sein Blut über uns und unsere Kinder! und trete aus der Kirche oder von dem Steinbilde der Station zurück, um auf der Strasse dieselbe Physiognomie zu treffen, so gehört eben schon eine festere Christlichkeit dazu, mich zu erinnern, dass Christus den Juden vergeben hat, vergeben musste, weil sie nicht wussten, was sie thaten. Der Pöbel vermeint wohl, sich darin christlich zu zeigen, wenn er es noch jetzt dem Juden nicht vergisst, was er einst gethan.“

So muss man also ein Christ sein, und zwar ein „festerer Christ“, um die Juden nicht zu hassen? Es ist zwar richtig, dass die christliche Religion die Feindesliebe als einen ethischen Satz in sich aufgenommen und dadurch vor anderen Religionen etwas voraus hat; allein dieser Vorzug vor anderen Religionen kann nicht für einen Vorzug vor der Humanität angesehen werden und dazu dienen, die Feindesliebe dem Christentum als etwas Eigenes zuzusprechen. Sie ist durchaus etwas Menschliches, und man braucht nicht nur kein „festerer Christ“, sondern überhaupt kein Christ zu sein, um seine Feinde zu lieben. David liebte Saul, Sokrates sein Volk, das ihn vergiftete, wie das jüdische Christum kreuzigte, und Seume’s wilder Canadier einen — Christen. Und nun gar einem unzurechnungsfähigen Feinde, wofür Christus selbst die Juden ansah („Vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun!“) und seinen späten Enkeln nichts nachzutragen, dazu soll eine „festere Christlichkeit“ gehören? So entrückt man das einfach Menschliche von seinem Boden, um es in den christlichen Himmel zu verpflanzen, und so kommt man consequenter Weise zu einem christlichen Staate und wohl auch zu einer christlichen Philosophie. Im Gegentheil, eben die „Christlichkeit des Pöbels“ ist es, die ihn