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als Injurien gelten würden. Dies stimmt ganz mit der Definition des Allgemeinen Landrechts (Tit. 20. Thl. II. §. 196): «wer das Oberhaupt des Staats in seiner Würde persönlich beleidigt, begeht das Verbrechen der Majestätsbeleidigung», überein. Nothwendige Folgen dieser Begriffsbestimmung sind: I) daß absichtliche, wirkliche Ehrenkränkung eine unerläßliche Bedingung, wie jeder Injurie, so auch der Majestätsbeleidigung ist; 2) daß nur allein das Staatsoberhaupt, nicht also die zu seiner Familie gehörigen Personen, geschweige denn seine hingeschiedenen Vorfahren, Gegenstand des Verbrechens beleidigter Majestät sein können; 3) daß ein, nicht gegen die Person des Königs, sondern gegen eine von ihm oder seinen Räthen ausgehende Sache, wie Gesetze, Anordnungen, Landtagsabschiede etc. gerichteter Angriff keine Klage auf Majestätsbeleidigung begründet.“

Gegen die zweite Denunciation auf frechen, unehrerbietigen Tadel der Landesgesetze soll, abgesehen von den einzelnen Rechtfertigungen, nur diese allgemeinere Stelle hier stehen. „Unter der Regierung des Tiberius war eine allgemeine Anklagewuth ausgebrochen, die den friedlichen Staat mehr verheerte als alle bisherigen Bürgerkriege. Niemand war sicher. Jede Gelegenheit wurde ergriffen, selbst im Rausche gesprochene Scherzworte eifrig aufgefangen, um diese Wuth zu befriedigen. Man war nicht einmal gespannt auf das Schicksal der Angeklagten. Denn der Ausgang war stets ein und derselbe. Zu jener Zeit, die uns von Seneca also geschildert wird, galt es für die höchste Frechheit, vor der Bildsäule des Kaisers sich umzukleiden, einen Diener zu züchtigen, der eine Silbermünze des Tiberius bei sich führte, ein durch Alter beschädigtes Bild des Kaisers auszubessern oder mit dem Garten zugleich die kaiserliche Statue in demselben zu verkaufen. Jetzt werden ähnliche Vorgänge von Jedermann als völlig gleichgültige Handlungen betrachtet, und unsere Rechtslehrer

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_156.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)