Seite:DE Stirner Schriften 279.jpg

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Sue als leuchtendes Vorbild dieser so sichtlich erstarkenden Nächstenliebe aufgestellt worden.

Welches Uebel will man denn heben?’ Das Laster, die Sündenlust! Ihm sollen die Quellen durch nützliche Reformen abgeschnitten, die verführten Seelen entrissen und zur Lust an der Sittlichkeit bewogen werden. Und wer will diess grosse Werk, die Sünde um ihre Opfer und Diener zu bringen, verrichten? Wer anders als diejenigen, welche die Tugend lieben und einen sittlichen Lebenswandel für den wahren Beruf des Menschen erkennen.

Also die Tugendhaften wollen die Lasterhaften auf den rechten Weg bringen, die Diener im Reiche des Guten wollen das Reich des Bösen zerstören.

Seid ihr nicht alle damit einverstanden, dass es nichts Grösseres und Edleres geben könne, als die Verherrlichung des Guten, und habt ihr wohl etwas anderes an euch zu tadeln und zu bereuen, als dass ihr nur allzuoft noch vom Wege des Guten abweicht und „sündiget“? Fällt es einem von Euch jemals ein, zu fragen, ob das Gute wohl werth sei, dass man darnach strebe, und ob das Gute wirklich dasjenige sei, was der Mensch durch sein Leben zu verwirklichen suchen müsse? Ihr zweifelt ebensowenig daran, als die Lasterhaften und Gottvergessenen etwas Gründliches dagegen einzuwenden wissen, wenn sie auch noch so viel dagegen — sündigen.

Ihr, die ihr die Sünder bekehren und bessern wollt, ihr seid ja selbst unbekehrbar und unverbesserlich. Ihr lasst den Zweifel gar nicht an euch kommen, ob das Gute nicht eben ein — leerer Wahn sei, und wenn ihr auch eingestehen müsst, dass ihr selbst es gleich den Philosophen, die auch nur „Liebhaber der Weisheit“ bleiben, niemals erreicht, ihr meint doch, die Sünder müssten zum Guten vermocht und dahin gebracht werden, „gut zu thun.“ Ihr wollt die Sünder bekehren von der Lust am Bösen, mögt ihr euch vielleicht nicht selbst von der Lust am Guten bekehren?