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Das Ausland. 1,2.1828

nach England, alles in bester Qualität; von England gehen diese Waaren in englischen Schiffen nach jenen Colonien. Behufs dieser Sendungen wurden in Hamburg im Jahre 1827 mehrere tausend Stück Ochsen, an 20,000 Schweine etc. geschlachtet. Die Brodbäckerei (Schiffsbrod, Cakes) für diesen Zweck war so bedeutend, daß den Bäckern in Hamburg von Polizei wegen gestattet ward, ihrem Backofen noch einen andern hinzuzufügen, und überdieß wurden die sämmtlichen Bäcker der Umgegend, selbst in Itzehoe, Uetersen etc. beschäftigt. In New-Foundland nimmt der Gemüse-Bau durch die Bemühung des Gouverneurs, Sir Thomas Cochrane, zu, ist aber immer nicht zureichend, und Korn gedeiht nicht, obgleich die Insel mit Frankreich unter gleicher Breite liegt. Die gesammte Bewohnerzahl des britischen Nordamerika, die Bermuden eingeschlossen, ward im Hause der Gemeinen auf 1,200,000 Seelen angegeben, worunter 578,000 Protestanten. Für den Religionsunterricht der letztern sorgt die Londoner Missionsgesellschaft. Die Römisch-Katholischen, unter einem Bischofe, haben sehr reich dotirte Kirchen und Klöster, und genießen in Nieder-Canada, wo sie gewissermaßen die herrschende Religionsparthei sind, große Vorrechte.

Die kleinen Inseln Miquelon und S. Pierre an New-Foundland’s Südküste, sind gar keine Colonien, sondern unbewohnte Sandbänke, auf welchen die französischen Stockfischfänger ihren Fang trocknen und zubereiten, aber nicht niederlassen noch überwintern dürfen. Sie werden von den britischen Fischern eifersüchtig bewacht.

(Die Fortsetzung folgt.)


Mémoires de Madame de Campestre. Tom. I. et II. Paris 1827.

Mémoires d’une Contemporaine, ou souvenirs d’une femme sur les principaux personages de la republique, du consulat, de l’empire etc. Tome I, II, III et IV.

Johannes Wit, genannt von Dörring. Fragmente aus meinem Leben und meiner Zeit. Aufenthalt in den Gefängnissen von Chambery, Turin und Mayland, nebst meiner Flucht aus der Citadelle letzteren Ortes. – Braunschweig, bey Fr. Vieweg. 1827.

In den Lesecabinetten sind die historischen Romane an der Tagesordnung. Der Gewerbfleiß, der solche Werke liefert, und der Beifall den sie finden, lassen sich aus dem Character der Zeit erklären. Im Jünglingsalter der Völker, wo sie den Zustand wilden Zwanges verlassen und die Grenze der Freiheit berühren, erwacht die Ahnung eines bessern Lebens als die bisherige Wirklichkeit gewähren konnte, und dichtet sich ein Paradies. Anders ist es in der Männlichkeit der Nationen, wo durch merkwürdige Thaten, eine Folge der Bildung, die Wirklichkeit Sinn und Bedeutung gewinnt. Dann steigt die Phantasie von ihrer Höhe herab und tritt in den Kreis, den der Verstand ordnet und leitet; die Menschen begnügen sich nicht mehr mit dem idealen Bilde eines bessern Zustandes, – sie haben Kraft und Willen, einen solchen zur Realität zu bringen, und wollen diese auch in den Spielen der Einbildungskraft wieder finden. – Die Literatur begleitet diese Metamorphosen. Erhält das historische Leben Würde und Interesse, so wird eine solche Zeit für die poetischen Talente das goldene Alter der historischen Romane werden.

Es giebt Menschen, in denen nicht eigentlich der dichterische Geist vorherrscht, doch aber die Phantasie so regsam und thätig ist, daß diese ihnen das Leben der Wirklichkeit in einem höhern Glanze zeigt. Diese Menschen sind berufen, geschichtliche Denkwürdigkeiten zu schreiben; – sie werden vorzüglich dann hervortreten, wenn, wie jetzt in Frankreich, die Zeit der Thaten vorübergegangen, und nur die Erinnerung noch wach ist. Sie sind von den Dichtern historischer Romane darin verschieden, daß sie sich treu an den Stoff der Wirklichkeit halten, und nur vermöge ihrer Individualität und fast bewußtlos der Phantasie Antheil an ihren Arbeiten gestatten, während der Dichter, mit der Machtvollkommenheit, der Einbildungskraft, die Wirklichkeit nur unter der Form, die er ihr aufdrückt, gelten läßt.

Es giebt ein Zwittergeschlecht, das weder zu den Dichtern, noch zu den wahrhaften Berichterstattern des Lebens gehört, sondern zu den Leuten, die mit einer schimmernden Geistesbildung und mit abgeschliffenen Formen sich in die Gestalt der Liebenswürdigkeit, wie jenes Thier in die Löwenhaut, eingeschlichen haben, und dann durch eine Mischung von Dichtung und Wahrheit die Unkundigen zu täuschen suchen. Diese geistig-moralischen Hermaphroditen schreiben bisweilen auch Memoiren, die wir, wenn schon nicht erschöpfend, durch die Benennung: Romantische Memoiren, bezeichnen wollen. In diesen Büchern gehen die Verfasser eben so willkührlich, wie die Dichter historischer Romane, mit dem Stoffe der Wirklichkeit um; doch nicht um eine poetische Idee zu versinnlichen, sondern für den Vortheil eigener Eitelkeit, oder um irgend eine andere eigennützige Absicht zu erreichen. – Diese Menschen klagen sich oft selbst an; man würde ihnen aber Unrecht thun, wollte man dieß für Huldigung der Moral ansehen. Durch Enthüllung ihrer Verirrungen wollen sie nicht Andere warnen oder belehren; sie wünschen nur sich in den Ruf der Wahrheitsliebe zu setzen, damit man ihre kunstreichen Entschuldigungen für gegründet, sie selbst für purificirt gelten lasse. Dieß erhellt schon daraus, daß sie mit ihren offenherzigen Geständnissen gewöhnlich erst ans Licht treten, nachdem sie das öffentliche Zutrauen verspielt haben. Eine immer achtbare Schaam vor dem öffentlichen Tadel treibt sie an, die Feder zu ihrer Rechtfertigung zu ergreifen; Gewohnheit der Intrigue und der Verdrehung aber bleibt an ihnen hangen, wie ein Stück einer losgerissenen Kette an dem entsprungenen Züchtling. Daher vermengen sie Wahrheit und Lüge in ihren Werken eben so wunderlich und zweideutig, als sie es im Leben thaten. So wenig nun ein solches Verfahren an und für sich zu loben ist, so kann doch dadurch Nutzen gestiftet und Belehrung erwirkt werden. Der Menschenkenner, der die beiden widersprechenden

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_011.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)