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Das Ausland. 1,2.1828


Und Tasso ist ihr Ruhm und ihre Schmach;
Hör’ seinem Lied und dann schau, wo er wohnte,

Und sieh’, wie herb Torquato Lorbeern brach,
Und wie Alfonso seinem Sänger lohnte!
Dem elenden Tyrann, der in Ferrara thronte,

War doch zu mächtig der gekränkte Muth,
Den Wahnsinn selbst, der ihn umgab, verschonte!

rief Byron aus, als er den Staub Ferrara’s von seinen Füßen schüttelte.[1] Aber wie Wenige von den Tausenden, die Tasso’s Kerker sahen, haben den edeln Unwillen des Briten getheilt? Die große Masse der Reisenden, welche das schöne Italien jährlich heimsucht – um in den Italienern das Gedächtniß an die Barbaren lebendig zu erhalten, die im Alterthum ihr Vaterland so oft überschwemmten – was denkt sie sich wohl anderes bei dem Anblick dieser Mauern, wenn sie sich überhaupt etwas denkt, als etwa: Glücklich, daß wir wenigstens keine Genies sind! Wer weiß, ob wir nicht auch zuletzt im Narrenhause unsere Laufbahn beschlossen hätten? wohin eigentlich dergleichen unruhige Köpfe, die sich in die Formen der gebildeten Gesellschaft nicht zu schicken wissen, insgesammt gehören.

Aber wie, hatte Byron auch Recht, als er sich so unbedingt auf die Seite des Dichters stellte, und den Fluch aussprach über den Fürsten, unter dessen Schutz sich doch zuerst sein poetisches Talent entwickelt hatte?

Wir schlagen die gleichzeitigen Geschichten von Ferrara auf. Von einer ganzen Reihe erwähnt nur die des Faustini der Gefangenschaft des Tasso, und diese giebt in der That einen sonderbaren Grund für dieselbe an: „Der Herzog Alfonso II. ließ ihn einsperren, um ihn von einer Fistel zu heilen, an der er litt.“[2] Der Marchese Manso della Villa, welcher der persönliche Freund Tasso’s in seinen spätern Lebensjahren war und seine Biographie schrieb, verbreitet – statt der Aufklärung, die man von ihm erwarten sollte – über diese Periode seines Lebens nur Dunkelheit und Verwirrung.

Die spätern italienischen Schriftsteller, welche Tasso’s Gefängniß berühren, sprechen mit einer Vorsicht von demselben, die nicht selten lächerlich wird. So berichtet uns Muratori in seiner Geschichte des Hauses Este (Antichità estense Part. II. Cap. 13.) von einem geräumigen Gemach, das Alfonsos Gunst dem Dichter angewiesen habe, weil er ihn zu sehr liebte und achtete, um ihn von sich zu entfernen. Und Tiraboschi, in seiner italienischen Literaturgeschichte (tom. VII. p. III. p. 1213) erzählt: „Der Fürst habe geglaubt, daß bei dem aufgeregten Geisteszustande Tasso’s nichts nützlicher für seine Ehre und sein Wohl seyn könne, als ihn, nicht gefangen, aber unter guter Aufsicht zu halten, – zugleich sorgte er, durch Heilmittel sein Gemüth und seine Phantasie zu beruhigen. Aber Alles, was Alfonso zum Vortheil Tasso’s that, diente nur dazu, seinen Zustand immer mehr zu verschlimmern, – er glaubte sich im Gefängniß.“

Ja wohl glaubte er sich im Gefängniß; und fürwahr der Irrthum war ihm zu verzeihen, da halb Italien sich in Bewegung setzen mußte, ehe seine Befreiung erhalten wurde. Aber freilich hatte er Unrecht; denn schwang nicht sein Geist, den der Tyrann in den Mauern seines Kerkers verschlossen zu haben meinte, auf den Schwingen göttlicher Lieder und Sonette in lichthelle Himmelsräume sich empor? und durchflog sein Ruhm nicht frei alle Länder von den Küsten, die das Mittelmeer umspühlt, bis zu den Gestaden, an welche die stürmischen Wogen der Nordsee schlagen?

Aus altadelischem Stamm entsprossen, von welchem ein Zweig aus dem heimatlichen Thale von Bergamo nach Deutschland verpflanzt zu fürstlichen Ehren erblühen sollte,[3] von seinem edeln Vater Bernardo Tasso in frühester Jugend – in der großen Schule des Unglücks – zu allen Wissenschaften, die den Geist bilden, und den Sitten, die ihn veredeln, erzogen, hatte Torquato Tasso bereits als Jüngling neben dem zartesten Gefühl für Freundschaft, Liebe und alles Schöne jenen Stolz und Rechtsinn gezeigt, der, nur durch das Glück zu erweichen, durch die Schläge des Unglücks, wie Stahl durch die Schläge des Hammers, immer starrer, und gediegener verhärtet wird. Ein Heldengedicht, Rinaldo,


noch einmal auf dasselbe zurückkommen zu müssen, ist hinreichend zu wissen, daß der Verfasser uns allen Ernstes versichert, es gebe in Italien keine Wälder, und daß die Devise seines Pfeifenkopfes: Sic transit gloria mundi! ihm zum Motto für seine scharfsinnigen Bemerkungen über Rom dienen muß. Das Erstere giebt einen Maaßstab für seine Kenntniß des Landes, das zweite für den Geist, mit dem er die Geschichte desselben auffaßt. Daß sein Werk indeß eine bedeutende Menge von zusammengetragenen Notizen enthält, wollen wir, um nicht ungerecht zu seyn, nicht in Abrede stellen.

  1. Byron’s Childe Harold, str. 36.


    And Tasso is their glory and their shame.
    Hark to his strain! and then survey his cell!
    And see how dearly earn’d Torquato fame,
    And where Alfonso bade his poet dwell:
    The miserable despot could not quell
    The insulted mind he sought to quench and blend
    With the surrounding maniacs – etc.

  2. Siehe bei Tiraboschi, storia della letteratura italiana, ed. Venez. 1796. 4. tom. VII. part. III. pag. 1210.
  3. Wenigen unserer Leser wird es bekannt seyn, daß das Haus der deutschen Fürsten von Thurn und Taxis ursprünglich eine Seitenlinie von den Grafen Tassi in Bergamo ist, von denen auch der große Torquato stammt; den diplomatischen Beweis davon giebt der Albero della Famiglia de’ Tassi, die der Graf Gio. Jac. Tasso im Jahre 1718 zu Bergamo herausgab. Die älteste Erwähnung derselben ist aus dem 12ten Jahrh., wo sie sich zu Herren des Thales Cornello am Brembo bei Bergamo machten. Um das Ende des 13ten (1290) wird Amadeo de Tassi del Cornello genannt, dem die Sage die Erfindung der Posten zuschreibt. Sein Urenkel war Paxio de Tassi, dessen jüngster Sohn Ruggiero am Hofe Friedrich des III. lebte und als der erste Stifter des Hauses Taxis in Deutschland betrachtet werden kann. Sein Sohn Francesco wurde von Maximilian I. mit dem Generalat aller Posten im deutschen Reiche belehnt, und da derselbe sich ohne Kinder fand, rief er drei seiner Neffen, Giambattista, Maffeo und Simone von Bergamo zu sich, denen er von Carl V. die Nationalisirung in allen Staaten der spanischen Monarchie und das erbliche Eigenthum der Posten in Flandern und Deutschland auswirkte, welches darauf von Giambattista, dem ältesten der Brüder von Lionardo, seinen ältesten Sohn, und von diesem auf seine Nachkommen – das noch heut blühende Fürstengeschlecht der Taxis [8] – überging. – Die erstgeborne Linie der Tassi blieb indeß in Bergamo, und Paxios ältester Sohn, Pietro, war der gemeinschaftliche Ahn von dem Grafen Gio Jacopo, von welchem die Grafen Tassi in Bergamo stammen und von Bernardo Tasso, dem Vater Torquatos:
    Paxio de Tassi.
    • Pietro.
      • Agostino, Stammvater der Grafen Tassi in Bergamo.
      • Giovanni.
        • Gabriele.
          • Bernardo.
            • Torquato Tasso.
    • Giovanni.
      • Giambattista.
        • Lionardo. Stammvater der Fürsten von Taxis.
      • Maffeo.
      • Simone.
    • Ruggero.
      • Francesco.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_014.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)