Seite:Das Ausland (1828) 030.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828


Erster Censor. Nein, keine Koncessionen, das wäre eine Feigheit und, wie Seine Hochwürden sich gegen mich auszudrücken mir die Ehre erwiesen haben, eine Todsünde. Meine Herren, retten wir unser Gewissen.

Fünfter Censor. Keine Koncessionen! C’est par les concessions qu’on perd les empires sagte wohlweise Allaire zu Etienne, der ihn bat, eine unbedeutende Rolle im Jour à Paris zu übernehmen. Machen wir es wie Allaire und die Monarchie ist gerettet.

Dritter Censor. Ich bin immer für mein Reinigungswasser.

Erster Censor. Ich für den Thau des Pater Provincials.

Vierter Censor. Und ich für meinen Lond’ner Buchhändler.

Der Chef. Meine Herren, eine Idee!

Alle. Eine Idee! Laßt uns hören!

Der Chef. Ich schlage vor, die eine Hälfte der Artikel zu vertagen und die andre zu unterdrücken: Dieser Vorschlag vereinigt alles.

Alle. Angenommen par unanimité!

Der Chef schellt. Pierre!

Pierre eintretend: Meine Herren!

Der Chef. Wenn der Buchhändler Amboise Dupont nach mir fragt, so weisen Sie ihn an Herrn Deliege. Sie, Deliege, machen die Sache mit ihm ab; Sie sagen ihm, daß das Staatsinteresse, das Königthum, die Censur, die Journale … sagen Sie ihm meinetwegen, was Sie wollen, nur schaffen Sie ihn uns vom Hals.


Tasso in Ferrara.
(Fortsetzung.)

Wie so oft die schönsten Gemählde alter Meister das Loos gehabt haben, schlechten Farbenmischern in die Hände zu fallen, welche dieselben, in der Meinung sie zu verbessern, überpinselten und verderbten; auf ähnliche Weise ist es auch oft den Sternbildern großer Geister ergangen, die aus der dunkeln Nacht der Vergangenheit uns entgegenleuchten. Aber möge diese Entstellung auch das Werk von Jahrhunderten seyn; so darf den, dessen Blick die ursprünglichen Züge einmal unter derselben durchschimmern gesehen hat, keine unzeitige Bedenklichkeit zurückhalten, sie von dem Firniß oder Farbenschmutz zu reinigen, mit dem sie überdeckt sind.

Tasso liebte Lucrezia, er liebte Leonora; aber er liebte sie, wie der Dichter, dessen größtes und schönstes Gedicht zugleich sein größtes und schönstes Liebeslied ist, alles Schönes lieben mußte, das in Natur und Menschenwelt ihm begegnete. Wie Virgilius von den Alten, so verdient nur Tasso von den Neueren der jungfräuliche Dichter genannt zu werden. Jede Zeile aus seinem Leben athmet die süßeste Liebesgluth; selbst in der Gerusalemma, wo seine Muse geharnischt auftritt von Kopf bis zu Fuß, ist dennoch Liebe die Seele, die unter dem aufgeschlagenen Visier aus den trotzigen, stolzen, schönen Zügen spricht.

Aber selten zeigt sich eine Spur jener wildlodernden verzehrenden Flamme der Leidenschaft, in die sinnliche Liebe ausbricht, sobald sie auf Hindernisse stößt, die ihrer Befriedigung in den Weg treten. Daß niemals seiner geistigen Gluth irdische Elemente sich beigemischt hätten; wer dürfte dieß behaupten, ohne ihn den Reihen der Sterblichen zu entrücken? Aber wenn immer; so war es doch gewiß keine der Fürstinnen in die er entbrannt war.

Der Polarstern, um den – wie es scheint – der Himmel aller Poeten von Ferrara sich drehte, war Lucrezia Bendedio, ein schönes Hoffräulein, dessen Namen jedoch wahrscheinlich zugleich mit aller seiner Schönheit der ewigen Nacht der Vergessenheit anheimgefallen wäre; wenn nicht auch Tasso ihm gehuldigt, wenn seine Lieder ihm nicht ewige Jugend verliehen hätten.

Die erste Stufe der Liebe ist Bewunderung der Schönheit und Anmuth, die aber eher mit ehrerbietiger Scheue in der Entfernung halten, als zur Annäherung drängen wird. Wir haben keinen Grund anzunehmen, daß Tasso in seinem Verhältniß zu den Fürstinnen je diese erste Stufe überstiegen habe; und seine Gedichte, welche ihre liebenswürdigen Eigenschaften schildern, legen durch ihre stets sich gleich bleibende Wärme das unzweideutigste Zeugniß dafür ab. Unverkennbare Leidenschaft dagegen, wenn gleich in ihrem zartesten Ausdruck, ist der Inhalt der wenigen Zeilen die wir unter seinen Gedichten an Lucrezia Bendedio gerichtet finden; Sirene, redet er sie an:

Sirene, die als Göttin uns erschienen,
Lebst du im Meer um dich vergoßner Thränen,
dem – Strömen gleich – in nie erfülltem Sehnen,

Als Unterthanen meine Augen dienen.

Und jener Mund, der Zorn des Himmels sühnen
Durch süßen Wohllaut muß, wenn du die schönen
Rubinen öffnest, mich kann er nur höhnen,

Und, nah’ ich mich dir, strafen mein Erkühnen.

Die Seele, die durch Harmonie gebunden,
Entbrannt durch deiner heitern Sonne Strahlen,

In deren Schein kein Winter wird erfunden:

Wie soll sie dir, die arme, widerstehen?
Was bleibt ihr, als – da ewig ihre Qualen –

Sie minder hart zu strafen, dich zu flehen?[1]

Selten sind Dichter glücklich in ihren Neigungen. Wie die Israeliten vor Moses zurückwichen, als er mit leuchtendem Antlitz vom Sinai zu ihnen herabstieg; so treten die Menschen auch vor den Dichtern scheu zurück, sobald sie das Feuer der Begeisterung ahnen, mit welchem die Gottheit die ihr geweihten Gemüther heiligt. Semele ward von den Flammen verzehrt, als ihr der liebende Gott, den sie umarmte, in seiner wahren Gestalt erschien; auch des Dichters Busen trägt dieselben Flammen in sich.


  1. Sonett, aus einer handschriftl. Reimsammlung bei Serassi, Vita di Torquato Tasso, pag. 139:
    Tu, che’ n forma di Dea, vera Sirena,
    Nel mar di pianto di chi t’ama vivi etc.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_030.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)