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Das Ausland. 1,2.1828


und starke Truppenabtheilungen hielten die benachbarten Kirgisen, Burut, und andere Nomaden- und Gebirgsvölker, von Einfällen in das Land ab. Ein beträchtlicher Handel fing an zu blühen, weil die Caravanen, durch die er in dieser Gegend getrieben wird, frei und ungehindert kommen und gehen konnten. So beschrieben wenigstens die nach Rußland handelnden Einwohner der kleinen Bucharei den Zustand ihres Vaterlandes unter chinesischer Herrschaft, und übereinstimmend mit dieser Aussage waren auch die Berichte, welche der englische General Malcolm, von mohammedandschen Kaufleuten und Reisenden, in Indien einziehen konnte.

Seit der Unterwerfung dieser Länder durch die Chinesen ist, aus den angeführten Gründen, selten die Ruhe durch Empörungen gestöhrt worden. Jedoch veranlaßten, im Jahre 1765, die Grausamkeit des einheimischen Beherrschers von Uschi, und die Zügellosigkeit des dort kommandirenden chinesischen Generals, einen Aufruhr in dieser Stadt, der sehr gefährlich wurde. Nur durch Khian lungs nachdrückliche Maaßregeln, und durch die Schnelligkeit ihrer Ausführung ward diese Revolution beendigt; indem Uschi wieder erobert, und alle seine Einwohner ausgerottet wurden. Diese Stadt ward darauf mit andern Bucharen bevölkert, und der Sitz des chinesischen Generals nach Aksu verlegt.

Ein Sohn des Bolatun, erregte im Jahre 1775 eine andere Empörung in der kleinen Bucharei, die aber von kurzer Dauer war und mit seiner Verjagung endete.

Seitdem haben die Chinesen ihre mittelasiatischen Provinzen, im Ganzen mit Gerechtigkeit und Milde, aber auch nach festen Grundsätzen beherrschet. Zu ihrer Erhaltung war eine verhältnißmäßig sehr geringe Kriegsmacht hinlänglich; denn in Kaschkar befand sich nur eine Besatzung von 1000 Mann, und in den andern der acht mohammedanischen Städte überstieg die Anzahl derselben nie einige hundert Mann. Um so unerwarteter kam die Nachricht von der im Jahre 1826 in jenen Gegenden ausgebrochenen Revolution, über welche wir in diesen Blättern Alles zusammengestellt haben, was bis jetzt über den Ursprung, den Fortgang und das Ende derselben, in Europa bekannt worden ist.

Die erste Veranlassung zu dieser Empörung ist so geringfügig, daß man fast glauben sollte, sie sey bereits lange vorbereitet gewesen, und man habe sich desselben nur bedient um ihren Ausbruch zu beschleunigen. Die Bewohner der Stadt Chotan hatten angefangen einen benachbarten Wald umzuhauen; dieser Umstand erregte die Unzufriedenheit der Besatzung, welche behauptete, daß dadurch das Füng schui der Chinesen zerstört werde. Dieses Wort bedeutet Wind und Wasser, dient zur Bezeichnung eines in China allgemein verbreiteten Aberglaubens, nach welchem irgend ein Gegenstand in der Nachbarschaft eines Wohnplatzes, glück- oder unglückbringend angesehen wird. Die Besatzung von Chotan hielt diesen Wald für glückbringend, oder ihr Anführer bediente sich dieses Vorwandes, um das Aushauen desselben, welches ihm vielleicht aus andern Gründen nicht räthlich schien, zu verhindern. Darüber entspann sich ein Streit zwischen der Besatzung und den Einwohnern, der bald in einen blutigen Kampf ausschlug, in dem mehrere chinesische Soldaten und Offiziere das Leben verloren. Dieß war das Signal eines allgemeinen Aufstandes der Mohammedaner, an deren Spitze sich Dschanggar, ein Enkel des obenerwähnten Sohnes des Bolatun, stellte.

Der zu Kaschkar kommandirende General hatte einen Sohn des Dschanggar, welcher an der Ermordung chinesischer Offiziere Theil genommen hatte, hinrichten lassen; worauf sich der Vater zu den benachbarten Burut, einem kirgisischen Stamme, der nördlich von Kaschkar, im hohen Gebirge hauset, flüchtete, um bei ihnen Hülfe zu suchen. Er ward von den ihm nachsetzenden Truppen bis an die Grenze der Burut verfolgt, und da der chinesische Anführer den Auftrag hatte, ihn todt oder lebendig zu stellen, so ließ er einen der gefangenen Häuptlinge der Burut hinrichten, und gab seinen Leichnam für den des Dschanggar aus, um sich von dem Vorwurfe zu befreien, daß er dem ihm ertheilten Befehle kein Genüge geleistet habe. Dieser unüberlegte Schritt brachte auch die Burut in Aufruhr, und Rache fordernd, beeiferten sie sich, dem Dschanggar thätigen Beistand zu leisten. Mit mehreren hundert von ihnen rückte er gegen Kaschkar, ward aber zurückgeschlagen. Der Kommandant dieser Festung hatte indeß im Kampfe eine Wunde im Gesichte erhalten; er konnte daher den Feind nicht selbst verfolgen, sondern schickte ihm zwei von Ili gekommene Officiere mit Truppen nach, welche den Dschanggar in dem Augenblick erreichten, als er sich in eine Mesdchsched rettete. Diese wurde von den Verfolgern eng eingeschlossen, dennoch fand Dschanggar mitten in der Nacht Gelegenheit glücklich zu entkommen, unter einem heftigen Schießen mit Pfeilen und Lanzenwerfen von Seite der Seinigen, die sich in der Mesdsched tapfer vertheidigten.

Auf diese Art verloren die Verfolger Dschanggar’s seine Spur; – in kurzer Zeit gelang es diesem, eine große Menge seiner Landsleute und Glaubensgenossen, bei denen er als Nachkomme Mohammeds in dem größten Ansehen stand, um sich zu sammeln, und er brach mit diesem Heere aufs neue gegen Kaschkar auf. Der dortige chinesische Befehlshaber, zu schwach um ihm Widerstand zu leisten, zog die 250 Mann starke Besatzung von Jengi schahr (Neustadt) 140 Li (chinesische Meilen) südlich von Kaschkar gelegen, an sich, und verlangte sowohl von Ili, als vom Hofe zu Peking schleunige Hülfe, fest entschlossen sich unter den Mauern der ihm anvertrauten Stadt zu begraben, wenn die Rebellen die Belagerung derselben unternähmen, da es ihm sowohl an Truppen, um sie zu vertheidigen, als an Lebensmitteln fehlte, mit denen er eine längere Berennung hätte aushalten können.

(Schluß folgt.)

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_035.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)