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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 8. 8. Januar 1828.

Ein Besuch bei dem persischen Hofe.

Bei der immer steigenden Wichtigkeit, welche in der neuesten Zeit die politischen Verhältnisse Persiens auch für Europa erhalten haben, glauben wir unsern Lesern einen nicht uninteressanten Beitrag zur Kenntniß und richtigen Beurtheilung derselben zu liefern, indem wir aus einer kürzlich in London erschienenen Reisebeschreibung[1] folgende Schilderung des persischen Hofes und seiner nächsten Umgebungen entlehnen.

In dem Fort Ardebeel, in dessen Nähe der Schah seit Ausbruch des Krieges sein Hoflager aufgeschlagen hatte, fanden wir sechszehn russische Offiziere, welche mit etwa tausend Gemeinen in dem Fort und dessen Umgebungen als Kriegsgefangene aufbewahrt wurden. Den Offizieren war eine sehr bequeme Wohnung angewiesen, nach Landesart von einem kleinen Hofe umgeben. Es befand sich unter denselben ein Oberstlieutenant, ein Major, zwölf Infanterie- und zwei Kosacken-Offiziere. Zwei dieser Militairs waren verwundet: der eine durch einen Pistolenschuß des wilden Sirdars (Kommandanten) von Erivan, den dieser auf ihn abgefeuert hatte, als er ihm vorgeführt wurde. Wir befragten den gefangenen Oberstlieutenant Mizemowsky über das Treffen bei Kunjeruck, dessen die russischen Kriegsberichte nicht erwähnten, und in welchem der Oberstlieutenant, an der Spitze eines Corps von 1200 Mann mit 4 Stücken Geschütz, von dem Prinzen Abbas Mirza aufs Haupt geschlagen wurde. Er antwortete uns, er habe sich neun Stunden ununterbrochen in brennender Sonnenhitze, auf einem Terrain, wo nicht ein Tropfen Wasser zu bekommen war, gegen eine unverhältnißmäßige Ueberlegenheit vertheidigt. Nachdem aber von seinem Corps bereits 400 Mann gefallen, die Kanonen demontirt, ein Pulverwagen in die Luft geflogen, die übrige Munition verschossen, und seine Soldaten von Ermattung und Durst fast aufgerieben waren, habe er sich gezwungen gesehen, die Waffen niederzulegen. Der in Diensten des Prinzen befindliche englische Sergent Dawson war es, der die russischen Kanonen demontirt und den Pulverwagen in die Luft gesprengt hatte.

Ein russischer Offizier, der gleich beim Anfange des Kriegs in Gefangenschaft gerieth, hatte die mahommedanische Religion angenommen, und den Namen Abdallah Khan erhalten. Seitdem versuchte man häufig auch die übrigen Gefangenen zu demselben Schritte zu bewegen, doch wurden von ihnen stets alle Vorschläge dieser Art mit Unwillen zurückgewiesen.

Wir wurden zu einem Feste bei Secunder-Khan, dem Gouverneur der Stadt und Provinz Ardebeel, geladen. Etwa anderthalb Stunden von diesem Platze hatte man furchtbare Denkmäler orientalischer Barbarei errichtet. Auf einem in der Mitte der Ebene befindlichen kleinen Hügel befanden sich fünf Kellah-i-minar, d. h. Pyramiden von Menschenköpfen. In einem von Backsteinen aufgeführten Mauerwerk hatte man eine große Anzahl von Nischen angebracht, in welchen gegen tausend Köpfe erschlagener Russen aufgestellt waren. In den Mund einzelner dieser Köpfe hatte man zum Hohn eine Pfeife gesteckt. Der fürchterliche Gebrauch, solche über allen Ausdruck Schauder und Eckel erregende Pyramiden zu errichten, ist in Persien seit undenklichen Zeiten eingeführt. –

Endlich gelangten wir zu dem Hoflager des Königs selbst. Unter den Großen im Gefolge des Fürsten bemerkten wir sogleich Mirza-Abul-Hussein-Chan,[2][WS 1] jenen bekannten orientalischen Diplomaten, dessen Erscheinen an den Höfen Europas vor mehreren Jahren so großes Aufsehen erregt hatte. So oft wir ihn sahen, bemächtigte er sich der Unterhaltung mit der ihm eigenen betäubenden Wortfluth, indem er halb englisch, halb persisch sprach, und stets über seine eigenen Späße aus vollem Halse lachte. In unaufhörlichen Schmähungen ergoß er sich über die Russen. „Ach,“ rief er aus, „wie viel Asche ist auf mein Haupt gefallen, seitdem ich mit diesen raubgierigen, treulosen Barbaren unterhandelt habe!“ Dann machte er die gehässigsten, abgeschmacktesten Vergleichungen zwischen ihrer letzten Gesandtschaft und der unsrigen. „Seine Durchlaucht“, sagte er, „der Fürst Menzikoff, hatte weder Zelte, noch Pferde, noch Maulthiere, noch Bedeckung; der König, unser Herr, hatte die


  1. Travels from India to England by the Lieutenant Alexandre, Esq. London, 1827. 8.
  2. Im Jahre 1816 Gesandter Persiens an den Höfen von London, Paris, Wien und St. Petersburg; deutschen Lesern auch durch Göthe westöstlichen Divan bekannt.

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_036.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)