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Das Ausland. 1,2.1828

Staate immer bei weitem die größte Zahl ausmachen, gedrückt, oder der Gewinn der Unternehmer wird verringert, indem der Arbeitslohn steigt. Oft geschieht beides zugleich; aber in Ländern, wo die arbeitenden Classen entweder sehr arm sind, oder so viel Ueberlegung und Einsicht besitzen, als in Holland und Großbritannien, wird jede Abgabe auf Arbeitslohn oder Artikel, die der Arbeiter consumirt, bald den Arbeitslohn verhältnismäßig steigern, wenn sie auch bei ihrer ersten Einführung für die ärmeren Klassen sehr drückend ist. Es fällt daher in diesem Falle die Abgabe gänzlich auf diejenigen, welche Arbeiter gebrauchen, und schmälert also den Gewinn.

Man hat zwar behauptet, daß, wenn die vornehmste Wirkung von schweren Steuern bloß darin bestände, daß sie den Gewinn des Capitalisten verringerten, oder, wie man sagt, das Vermögen des Reichen, Gegenstände des Luxus zu consumiren, beschränkten, so würde ihre Ermäßigung von geringem Nutzen seyn. Aber gerade weil die schweren Steuern diese Wirkung äußern, müssen wir am meisten wünschen, daß man sie heruntersetze; denn unserer Ansicht nach ist eben der verringerte Gewinn das größte Uebel, was ein Abgabesystem zur Folge haben kann, wenn es drückend wird. Die Erfahrung zeigt allgemein, daß die Länder in welchen das Capital am schnellsten wächst, in der Regel immer den größten Wohlstand haben. Hier ist das Bedürfniß von Arbeitern immer am größten, und hier ist daher auch die Quantität von Lebensbedürfnissen und Bequemlichkeiten, die der arbeitenden Classe zu Theil werden, verhältnißmäßig weit größer, als in Ländern, worin das Capital nicht so schnell wächst. Nur weil meistens die Familien in demselben Verhältniß zunehmen, wie die Mittel der Subsistenz sich vermehren, wird es den Leuten, die vom Arbeitslohn leben, dennoch unmöglich mehr zu thun, als sich und ihre Familien zu ernähren. Die Capitale werden fast alle von Renten gebildet, oder vom Gewinn, aber bei weitem häufiger von letzterem, und es giebt keinen Satz im ganzen Bereiche der Staats-Wissenschaft, der fester stände, als der, daß die Anhäufung der Capitale in einem Lande, und folglich der wachsende Wohlstand und die zunehmende Civilisation, von dem Gewinn abhängt, den man darin mit einem Capital machen kann. Es ist z. B. ganz unstreitbar, daß das verschiedene Verhältniß des Gewinns, den man in Holland, England und der Vereinigten Staaten von Nordamerika von demselben Capitale erhält, bewirkt, daß der Wohlstand und die Bevölkerung in dem ersten Staate immer auf demselben Punkte stehen bleiben, während sie in dem zweiten langsam, und in dem letzten verhältnißmäßig sehr schnell zunehmen. Ein Capital von einer Million wirft in Holland ungefähr einen Gewinn von 39,000, in England 50,000 und in den Vereinigten Staaten 80,000 ab; und da der Eigenthümer des Capitals auf jeden Fall von seinem Gewinn leben muß, so ist klar, daß das, was ihm übrig bleibt und was er zurück legen kann, in England mehr als das Doppelte von dem in Holland, und in den Vereinigten Staaten wieder mehr als das Doppelte von dem in England ist.

Es ergibt sich hieraus, daß der Wohlstand eines Landes nach der Quote des Gewinnes, welche ein Kapital abwirft, beurtheilt werden muß, oder, was dasselbe ist, nach der Leichtigkeit, womit man in einem Lande sein Kapital oder seine Arbeit mit Vortheil anlegen kann; nicht aber nach dem absoluten Belauf der Kapitalien oder der Größe der Bevölkerung. Die Hauptstadt von Holland ist ihrer Volkszahl nach beträchtlich größer, als die der Vereinigten Staaten, obgleich Jedermann zugeben wird, daß letztere weit blühender sey, weil man in derselben sein Kapital viel vortheilhafter anlegen kann, als in der ersten. Wenn nun der zunehmende Reichthum eines Staats ganz von einem, wenigstens vergleichungsweise, hohen Gewinn vom Kapital abhängt, so geht daraus hervor, daß man alles das mit besonderer Sorgfalt vermeiden muß, was auf eine Verringerung dieses Gewinns abzweckt.

Aber nicht nur auf diese Weise hemmen schwere Abgaben alles Fortschreiten in einem Staate, sondern auch noch dadurch, daß sie die Kapitalien und die Industrie ins Ausland treiben. In einem Lande, welches ganz von der übrigen Welt abgeschnitten wäre, würde das Sinken des Gewinns von geringerer Bedeutung seyn; es würde dann nur das Verhältniß, in welchem das Kapital früher wuchs, verkleinern, aber nicht das Anlegen desselben, also auch die Mittel, das Land zu ernähern, mindern und erschweren. Bei der gegenwärtigen Lage der Welt dagegen, lassen sich die Kapitalien sehr leicht in andere Länder schaffen, und geschieht dieß einmal in einem gewissen Umfange, so wird dadurch fast alles Wachsen des Wohlstandes und alles Steigern der Abgaben in dem hiedurch leidenden Staate unmöglich. Nicht deshalb, weil die Leute nicht mehr zahlen können, sondern weil sie nicht mehr zahlen wollen, hören die Abgaben oft auf einträglich zu seyn. Es ist freilich sehr schwer, die Grenze zu bestimmen, über welche hinaus eine große Nation, bei welcher Sicherheit des Eigenthums und Gewerbsfreiheit statt findet, nicht besteuert werden kann; aber, wie Hr. Ricardo (in seinen Grundzügen der Nationalökonomie und der Besteuerung) bewiesen hat, giebt es Grenzen – und zwar viel näher als man gewöhnlich glaubt – über die hinaus die Leute nicht für das Recht, in ihrem Vaterlande zu leben und ihre Kapitalien daselbst anzulegen, zahlen. Die Quote des Gewinns strebt immer nach einem Gleichgewicht in allen Ländern, die Handel unter einander treiben. Dieselben Gründe, die einen Kapitalisten davon abhalten, in irgend einem Zweige der Industrie sein Kapital in Liverpool oder Manchester anzulegen, wenn er dadurch, daß er es in London anlegt, mehr gewinnen kann, dieselben Gründe werden ihn auch bestimmen, sein Kapital lieber in Frankreich als in England zu placiren, wenn es dort mehr einträgt. Es versteht sich, daß wir hiebei voraussetzen, daß auch die immateriellen Vortheile, die die Anlegung des Kapitals in beiden Ländern gewährt, dieselben seyen; denn es ist wahr, daß es viele Umstände giebt, die dem Uebertragen der Kapitalien in andere Länder große Hindernisse in den Weg legen, z. B. Verschiedenheit der Sprache und Sitten, ein geringerer Grad von Sicherheit u. s. w. Jedoch hat die

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_046.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)