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Das Ausland. 1,2.1828


geblieben, als es noch immer Grundsatz ist, daß niemand für geistreich gilt, der nicht auch gut spricht und schreibt; während es in Deutschland geistreiche Männer genug gibt, die entweder gar nicht schreiben können, oder, wenn sie schreiben, einen Jargon hervorbringen, der die trefflichsten Gedanken völlig ungenießbar macht. In Deutschland – so scheint es – bekümmern sich die Schriftsteller nicht sehr um das Publikum, dem sie nur zu oft das dunkelste und unverständlichste Geschwätz als Tiefsinn und Genialität anbieten; in Frankreich erträgt bizarre, gezwungene, abentheuerliche Formen und Wendungen der Gedanken, wie der Worte, schon die Sprache nicht. Beide Länder stehen in einem ganz verschiedenen Verhältniße zu ihrer Literatur; in Frankreich ist fast alles Nationalliteratur; in Deutschland schreiben Viele, ja die Meisten nur für Gelehrte; die Kunst der allgemeinen Verständlichkeit ist ihnen fremd, oft verächtlich. Deutschland hat vielleicht die tiefsinnigsten Sprachforscher; bei alle dem herrscht aber eine wahrhaft zügellose Anarchie unter den Schriftstellern in Versen und Prosa, von welchen fast jeder seine eignen gramatischen oder stilistischen Regeln hat, viele in der vollständigen Regellosigkeit sich zu gefallen scheinen.

(Fortsetzung folgt.)


Betrachtungen über die financielle Lage Englands.


(Schluß.)

Würde nun auf diese Weise jede Art von Capital gleichmäßig besteuert, so ließe sich noch der Einwuf machen, den Hume in seinem Versuche über den Staatscredit gegen Hutchesons Plan erhob, daß die arbeitenden Classen und alle Leute, die von ihrem Berufe leben, einen bedeutenden Theil der Abgaben bezahlen, und daß es drückend und ungerecht wäre, wenn die Capitalisten die ganze Last der Schuld tragen sollten, von der sie jetzt nur einen Theil zu tragen haben. Aber diese Einwendung ist in der That unbegründet. Die Abgaben müssen im Laufe der Zeit den Arbeitslohn in demselben Verhältniß erhöhen als sie die Gegenstände, deren der Arbeiter nothwendig bedarf, vertheuern. Der Preis der Lebensbedürfnisse ist aber eigentlich der Preis der producirenden Arbeit; die Arbeiter können sich dieselben nicht verschaffen, wenn sie nicht dem Stande der Preise gemäß bezahlt werden. Wenn nun auch anfangs eine kürzere oder längere Zeit verstreicht, ehe der Lohn und die Preise in das gehörige Verhältniß zu einander treten, so kann doch kein Zweifel darüber obwalten, daß dieß am Ende geschehen muß. Steigt aber der Arbeitslohn in Folge der höhern Besteuerung, so veranlaßt dieß einen verhältnißmäßigen Abzug vom Gewinn der Capitalien, und wenn umgekehrt der Arbeitslohn in Folge einer ermäßigten Besteuerung fällt, so veranlaßt dieß in gleichem Maße ein Steigen des Gewinns.

Es erhellt hieraus, daß die Capitalisten auf keine Weise das Recht haben, sich zu beklagen, wenn sie das Capital auch des Theils der Staatsschuld bezahlen müssen, wovon jetzt die arbeitenden Classen die Zinsen entrichten, denn aller Vortheil, den sie von dieser Art Zinsenzahlung unmittelbar zu ziehen glauben, ist nur scheinbar, und wird durch die mittelbare Veringerung des Gewinns theuer erkauft. In allen alten und starkbevölkerten Staaten ist auch der Lohn der Arbeiter zu niedrig, als daß der Theil von den Abgaben, welche sie tragen, beträchtlich seyn könnte. Wenn eine neue Steuer eingeführt wird, mag sie eine Zeitlang die niedern Stände hart drücken, aber dieser Zustand kann nie dauernd seyn.

Besser begründet ist Hume’s Einwurf, wenn er auf gewisse Stände, als Advocaten, Aerzte u. s. w. eingeschränkt wird, denn wenn das Einkommen von jenen auch in einem gewissen Verhältniße zu den Preisen der Lebensbedürfnisse stehet, so wirken diese doch nicht so direct auf das Steigen und Fallen des ersteren ein. Eine so große Erniedrigung der Abgaben, als auf die Abbezahlung der Hälfte der Staatsschuld nothwendig folgen müßte, würde indeß eine solche Erhöhung des Geld-Werthes zur Folge haben, daß auch das nominelle oder Geld-Einkommen dieser Stände verhältnißmäßig sinken würde. Alle Taxen würden herabgesetzt werden, und der Vorschuß den der Capitalist bei der Abbezahlung der Staatsschuld gewissermaßen dem Advocaten machte, würde ihm demnach durch die Verringerung der Summen, die er künftig an diesen zu zahlen hätte, wieder ersetzt werden.

Man hat ferner gegen diesen Plan eingewandt, daß auf einmal so viel Land- und anderes unbewegliches Eigenthum feil geboten werden würde, daß die Verkäufer großen Schaden leiden müßten, und der Grundbesitz in die Hände von Leuten fiele, die denselben nicht zu benutzen verstünden. Aber ein wenig Ueberlegung wird leicht Jedermann davon überzeugen, daß dieser Einwurf, wenn nicht ganz unbegründet, doch äußerst übertrieben ist. Die Zahl der Käufer und Pächter würde in demselben Verhältniß zunehmen, wie die Zahl der Verkäufer und Verpächter; Die Staatsgläubiger, die ausbezahlt würden, müßten ihr Geld anlegen, und würden es mit Freuden entweder den Landbesitzern, Manufacturisten u. s. w. darleihen, oder Grundbesitz dafür ankaufen. Die Ausführung unseres Planes würde daher nicht einmal irgend jemanden zwingen, sein Landeigenthum zu verkaufen, wenn er es behalten wollte; er könnte höchstens gezwungen werden, eine gewisse Summe Geldes darauf aufzunehmen, wofür er von einer gleichen Staatslast befreit würde, und seine Lage wäre also in dieser Hinsicht durchaus nicht verschlimmert, während er doch an den Vortheilen, die der ganzen Nation dadurch zuwüchsen, Theil nähme.

Um während der Ausführung dieser Maßregel so wenig als möglich Störung in dem gewöhnlichen Gang der Geschäfte eintreten zu lassen, möchte es vielleicht räthlich seyn, die Staatspapiere für diese Zeit zu vermehren. Wir wollen annehmen, die Regierung finge die Ausführung dieser Maßregel damit an, daß sie 50 Millionen Schatzkammerscheine an die Inhaber von 50 Millionen Capital ausgäbe, die bei der Erhebung der Steuer als Zahlung angenommen würden, und dabei zugleich erklärte, daß wenn dieselben nicht zu diesem Zweck verwandt würden, die Steuern an einem festgesetzten Termine in Geld bezahlt werden müßten: so wären schon 50 Mill. abbezahlt, ohne daß man einen Mangel an circulirender Münze empfunden haben würde. Indem man nun von Zeit zu Zeit

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_068.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)