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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 18. 18. Januar 1828.

Egypten unter Mehemed Ali.


seit dreißig Jahren sind die Blicke der Europäer auf Egypten gerichtet. Dieses Land, so wichtig durch seine Lage, die es zum Mittelpunkte der ganzen alten Welt bestimmt, hatte fast alle Bedeutung verloren, als die großartige Unternehmung der „Armee des Orients“ die europäische Politik aufs Neue auf dasselbe aufmerksam machte. Der Feldzug der Franzosen in Egypten, wenn auch in seinem Hauptzwecke verunglückt, ist für Europa und für Egypten selbst nichts desto weniger höchst folgenreich geworden – die bündigste Rechtfertigung gegen den Vorwurf der Abentheuerlichkeit, welcher oft nur das Wort ist, womit kurzsichtige und engherzige Menschen das Große und Geniale einer von ihnen nicht begriffenen Staatsphilosophie herabwürdigen. War man gewohnt, im Gefolge der Heere nichts als einen Schwarm habgieriger Harpien zu erblicken, welche das Blut der eroberten Länder aussaugten, so war die Armee des Orients mit ihrem Vereine von Künstlern und Gelehrten, mit ihren mathematischen und physikalischen Apparaten, ihren Buchdruckereien u. s. w. eine Erscheinung, wie sie die Welt seit Alexander dem Macedonier nicht mehr gesehen hatte. Kaum liegt ein Menschenalter zwischen uns und dem achtundzwanzigjährigen Helden, welcher der Urheber des Plans zu diesem Feldzuge war, und schon reden wir wenig mehr von den großen Thaten in den Schlachten bei den Pyramiden, bei Abukir, bei Heliopolis, aber Denen’s Werk bleibt eine ewige Verherrlichung des Feldherrn und seines Instituts von Egypten: denn Jahrhunderte hatten für alte Kunst und Wissenschaft, deren Denkmale hier, in dem Mutterlande der Civilisation, schon Pythagoras und Platon aufsuchten und bewunderten, nicht so viel gethan, als diese wenigen Jahre. Und wirft man einen Blick auf Handel und Schifffahrt, hat Bonaparte nicht, indem er Egypten für Europa wieder gewann, ein zweiter Columbus, eine neue Welt für uns entdeckt, die sich von den Mündungen des Nils in das unermeßliche Afrika, von der Landenge Suez bis zu den Gestaden des Indischen Ozenan erstreckt? Dem eifersüchtigen Scharfblick brittischer Staatsmänner konnte die Wichtigkeit Egyptens, die es unter den verschiedensten Gesichtspunkten hat, nicht entgehen: es handelte sich hier nicht um eine entlegene Provinz von einigen tausend Quadrat-Meilen, welche von einer feindseligen Bevölkerung bewohnt, ein auf die Dauer vielleicht mehr lästiger als vortheilhafter Besitz gewesen wäre. Egypten, gelegen in dem eng umschlossenen Bezirke des mittelländischen Meeres, beinahe im Angesicht der französischen Küste, unter einem Klima, das sich zur Hervorbringung fast aller Erzeugnisse der Tropenländer eignet, auf einem Punkte, den die Natur selbst zum Stapelplatze des asiatisch-afrikanischen Verkehrs mit Europa bestimmt zu haben scheint, indem die große Karavanenstraße von Mekka nach Sennar sich durch das Nilthal zieht, die vom Indus und Euphrat nach den Märkten von Smyrna und Konstantinopel eben so gut dahingeleitet werden könnte, – dieses Land in den Händen einer Macht, wie Frankreich, hätte dem gesammten europäischen Kolonialwesen eine Revolution vorbereitet, für England aber unfehlbar den Ruin seiner kostspielig zu behauptenden Niederlassungen an den Küsten entfernter Meere herbeigeführt. Eine noch unmittelbarere und nicht weniger wichtige Folge von dem Gelingen der französischen Unternehmung wäre gewesen, daß Napoleon statt seines Kontinentalsystems ein System des mittelländischen Meeres gegen das brittische Monopol errichtet und dem Welthandel Englands dadurch ein Ziel gesetzt hätte. Alle diese schönen Plane scheiterten durch den Verlust der Flotte auf der Rhede von Abukir und durch Menou’s Unfähigkeit; scheinen indessen nie ganz aufgegeben worden zu seyn. Jedenfalls verlor die Aufmerksamkeit der Politik seitdem Egypten nicht aus den Augen. Gern wären die Engländer in die Fußstapfen der Franzosen getreten, wie ihr Versuch vom Jahre 1808 beweist, und sie mögen es Mehemed Ali noch nicht vergessen haben, daß er es war, an dessen Widerstande die Unternehmung unter Admiral Lewis scheiterte.

(Fortsetzung folgt.)


Capitain Jones Reisen nach Norwegen, Schweden, Rußland und der Türkei.
(Schluß.)
3) Vergleichung der Seemächte Europas.

Der interessanteste und zugleich genaueste Theil von Capitain Jones Werk ist seine Vergleichung der Seemacht der meisten europäischen Staaten. Er versichert, daß er schon früher alle Seehäfen und Arsenale von Frankreich und Holland in Augenschein genommen, auf seiner jetzigen Reise aber die von Rußland, Schweden und Dänemark zum Hauptgegenstand seiner Beobachtungen gemacht habe. Die englischen Journale rühmen mit stolzem Selbstbewußtseyn, wie leicht sich, nach dieser Berechnung, Großbritannien


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_080.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)