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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 28. 28. Januar 1828.

Royer Collard’s Aufnahme in die französische Akademie.

(Schluß der Antwort des Hrn. Darû an Hrn. Royer Collard.)

Die Philosophie des Hrn. Laplace war zu aufgeklärt, um nicht anzuerkennen, daß es die schöne Literatur ist, welche die Völker bildet, und sie für das Studium der strengeren Wissenschaften vorbereitet. Seine Vernunft war zu mächtig, als daß sein Geschmack nicht gleich sicher und zart hätte seyn sollen.

Auch gab es wenige Schriftsteller, die mehr Sorgfalt darauf verwendet hätten, die Schärfe des Gedankens mit der Richtigkeit und Klarheit des Ausdruckes in Uebereinstimmung zu bringen. Selbst Männer, die sich ausschließend mit der schönen Literatur beschäftigten, haben selten in ihrem Gedächtnisse eine solche Fülle der schönsten Stellen alter und neuer Prosa aufbewahrt; Laplace gefiel sich darin, sie in Erinnerung zu bringen.

Es ist schmeichelhaft für die Eitelkeit der Literatur, daß stets die regelmäßigen Geister sie zu würdigen wußten. Sie finden Geschmack an Werken, die als Muster dienen können, weil Schönheiten, die das Herz ergreifen und zur Bewunderung auffordern, in ihren Grundursachen wie in ihren Wirkungen einer strengen Nachweisung fähig sind; weil die Wege, die dahin führen, der geraden Linie gleichen, von der man nicht abweicht, ohne sich vom Ziele zu entfernen, ohne sich zu verirren. Nur verkehrte Geister, die leidenschaftlich sich an Systeme hängen, halten das Bizarre für das Neue, und suchen das Gelingen anderswo, als in der Vernunft und Wahrheit. Um das Schöne zu erreichen, muß man ohne Zweifel mit Einbildungskraft und Gefühl, vor Allem aber mit einem starken Verstande begabt seyn. Darum sind die schönen Wissenschaften nicht frivol, darum können sie gerechte Huldigungen empfangen, und werthvollen Lohn ertheilen.

Die Akademie mußte in Herrn Laplace den correkten und feingebildeten Schriftsteller auszeichnen, wie den Mann von Geschmack, der den klassischen Doktrinen treu war, wie den Philosophen, der die Literatur zu ehren wußte. Seine gelungenen Arbeiten in den strengen Wissenschaften konnten kein Grund der Ausschließung seyn; die Akademie setzt vielmehr ihren Ruhm darein, Alle zu vereinen, die durch Gedanken der Welt vorleuchteten. Nur diesem Glanze entgegenzukommen, entspricht ihrem Berufe.“

Herr Darû gibt sodann einige Nachrichten von dem Privatleben des Herrn Laplace, das ebenfalls den Wissenschaften nicht fremd war. In seinem Landhause zu Arceuil fand man im Garten oft die größten Gelehrten Europa’s, die Lagrange, Monge, Berthollet, Humboldt, Montyon, deren Gesellschaft, sagt Hr. Darû, an die Haine von Athen erinnerte, wo die Väter der Philosophie sich ihre Kenntnisse und die Gegenstände ihrer Forschung mittheilten.

„Die Freundlichkeit des Empfangs,“ fährt Hr. Darû fort, „erzeugte dann eine augenblickliche Täuschung: unwillkührlich fühlte man sich geschmeichelt, sich in der Gegenwart so vielen Ruhmes zu sehen. Erinnerte aber das Nachdenken, daß man sich mitten unter der kleinen Zahl der Männer befände, die den Vorsitz bei den Fortschritten der menschlichen Erkenntniß führen, so machte die Eitelkeit einer andern Empfindung Platz: man horchte schweigend auf diese erhabenen Geister, und so groß war die Klarheit ihrer Ideen, die Einfachheit ihrer Sprache, daß selbst die Ungeweihten sie zu verstehen glaubten.“

Hierauf geht Hr. Darû auf den Nachfolger des Hrn. Laplace über. „Während Ihr Vorgänger,“ redet er Hrn. Royer Collard an, „am Himmel die Gesetze suchte, die seine Bewegung ordnen, widmeten Sie, mein Herr, sich einem andern Studium. Die Philosophie ist in der geistig-sittlichen Ordnung, was die Mathematik in der materiellen Welt ist.“ (Der Redner erinnert an die Leitung des öffentlichen Unterrichts, den die Regierung Hrn. Royer Collard eine Zeitlang anvertraut hatte, und fährt fort:) „Sie verstanden es, mein Herr, diese wichtige Stelle mit gleicher Hochherzigkeit zu verlassen, als Sie ihr vorgestanden hatten. Sie gehörten zu der kleinen Zahl der Männer, denen der Verlust einer Stelle nur eine neue Bahn des Ruhmes eröffnet.“

Endlich sagt Hr. Darû am Schluß seiner Rede: „Ein älterer Geschichtschreiber und Mitglied der Akademie der Wissenschaften bemerkte mit Staunen, daß man so lange Zeit die Wissenschaften für unverträglich mit der öffentlichen Verwaltung gehalten habe, und fragt: ob es wahr sey, daß Geister, die an hohe Spekulationen gewöhnt sind, weniger als andere geschickt wären, die Verhältnisse der Dinge in den Geschäften aufzufassen!“ – Diese Bemerkung bezog sich auf Newton. Fontenelle, so scharfsinnig er auch war, scheint den wahren Grund dieses Vorurtheils, das er bekämpfte, nicht aufgefaßt zu haben. Es ist in der That möglich, daß diejenigen, welche ihr Leben mit dem Studium

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_119.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)