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Das Ausland. 1,2.1828

eben so tiefer als feuriger Geist, frühe schon dem Alterthume zugewendet, hatte in der erhabenen Einfachheit jener edlen Gestalten, welche aus der Griechen- und Römerwelt vor ihm aufstiegen, die Ideale gefunden, an denen die neufranzösische Schule einen Sinn für das Ernste und Würdevolle entwickeln sollte, den sie seit langer Zeit verloren hatte. David war der Schöpfer dieser Schule. Eine Reihe von Produktionen, die noch in die Zeit vor der Revolution fällt, bezeichnete den Weg, den er mit geläutertem Geschmack und bereicherter Erfahrung auch während und nach der Revolution verfolgte. Sein Belisar, seine trauernde Andromache, sein lehrender Sokrates und besonders sein Schwur der Horazier, der selbst auf den Modegeschmack in Costüm und Sprache von nicht geringem Einfluß war, sind Werke, welche vielleicht weniger durch die Schönheit und Vollendung ihrer Formen als durch ihre großartige Auffassung der Momente, durch ihre poetische, eines Corneille würdige Conception der Malerei ein Gebiet eröffneten, dem die oberflächliche auch noch so reiche Darstellung äußerer Erscheinungen oder Phantasien fremd geblieben war. Vor einem solchen Geiste thaten sich alle Tiefen des Lebens auf, das Große und Erhabene aller Zeiten wurde das Eigenthum der Kunst, und die Kunst wurde die Spenderin der Unsterblichkeit; indem sie sich aber nicht von der Wirklichkeit trennte, wurde sie Geschichts-Malerei.

(Schluß folgt.)


Egypten unter Mehemed Ali.

(Schluß.)


Es dürfte zwar Manches gegen die Logik einzuwenden seyn, die von dem Wohlstand und Glanz der Hauptstadt auf das Glück eines Landes schließt; bei Egypten gerathen wir indessen auf keinen Fall in Versuchung, diesen Fehlschluß zu machen. Nichts kündet in Kairo Mehemed Ali’s Größe oder seinen Wunsch an, ein verehrtes Andenken zu hinterlassen. Man hört und sieht nirgends von einer gemeinnützigen Anstalt, die er gegründet, von einer Maßregel fürs allgemeine Beste, die er beschlossen hätte. Wie? Hat Mehemed Ali nicht eine Anzahl junger Egyptier nach Paris geschikt, wo sie unter Jomard’s Leitung eine europäische Bildung erhalten? Hat er nicht in Bulâk ein Lyceum errichtet, in welchem französische und italienische Sprache, Zeichnen und Geometrie gelehrt wird? Wohl hat er alles dieß gethan; wenn er aber für sein complizirtes Handels- und Verwaltungssystem zu Aufsehern und Schreibern eine Menge Leute braucht, die gewisse Kenntnisse besitzen müssen, und er sie diese Kenntnisse erlernen läßt, so möchten wir ihn deswegen weder einen Freund der Wissenschaften noch einen wirklich wohlwollenden und aufrichtigen Beförderer der Gesittung Egyptens nennen. – Die Spuren eines verheerenden Krieges sind noch nicht verwischt, einige Paläste, die Mehemed Ali, nach der Bauart der Häuser in Konstantinopel, für sich und die Seinigen erbauen ließ, könnte man leicht ihrer Lage und ihrem Aussehen nach für einen Theil der Ruinen halten, in deren Mitte sie liegen. Diese Gebäude, mit großen Kosten errichtet, außen und innen mit Malereinen verziert, eignen sich für das brennende Klima Egypten’s nicht. Die leichtgezimmerten, mit einem einfachen Firniß überkleideten Wände vermögen den Zugang der Hitze nicht abzuhalten, und das Holz dient gewöhnlich nur einem Heer von Insekten und Mäusen zur Nahrung und zum Aufenthalt. Denkt man sich nun noch Gärten ohne Wasser und ohne Lauben hinzu, so hat man eine vollkommene Vorstellung von der Herrlichkeit dieser Paläste, welche die Türken seit einigen Jahren in und um Kairo aufgeführt haben. Auch hierin zeigt sich Mehemed Ali wieder ganz als Türke, daß er in Egypten wie in Rumelien leben will. – Besucht man die Bazars, wo es von Menschen wimmelt, so glaubt man sich in eine der bevölkertsten Städte der Erde versetzt, und ahnt nicht, daß es in dieser Mutter der Welt (ommel dunyâ), wie die Araber Kairo nenen, mehr als 6000 völlig verfallene Häuser giebt, daß seit 25 Jahren die Bevölkerung der Stadt um 50,000 Menschen abgenommen hat.

Von der ersten Pflicht einer vernünftigen Regierung, für das Gedeihen der Bevölkerung zu sorgen, weiß Mehemed Ali nichts; unbegreiflicher Weise erkennt er nicht einmal, wie innig sein eigenes Interesse, als einziger Grundeigenthümer, damit verbunden ist. Den Stand der Bevölkerung kann man in der Regel als Maßstab des Wohlstandes eines Landes ansehen: je mehr Hände, desto mehr Ertrag. Jede Regierung besitzt eine Menge Mittel, wodurch sie diesen Zweck erreichen kann. Wenn aber Mehemed Ali Egypten mittelst seiner europäischen Weisheit so bewirthschaftet, daß seinen Hörigen nach Abzug ihrer Staatslasten kaum das Nothdürftige, und oft nicht einmal soviel bleibt, so setzt er sich damit in geraden Widerspruch mit jenem Zwecke. In Egypten ist der fünfte Theil des fruchtbaren Bodens aus Mangel an Arbeitern unbenutzt; fünfzig Stämme arabischer Hirtenvölker wohnen an beiden Ufern des Nils, die sich, seitdem der Vezier ihren Räubereien Einhalt gethan hat, kümmerlich vom Ertrag ihrer Heerden nähren. Warum giebt er ihnen kein Grundeigenthum, und macht sie zu nützlichen Ackerbauern? Freilich müßte er ihnen das neue Loos, das er ihnen anböte, von der günstigsten Seite zeigen, damit sie willig auf ihre wilde Freiheit verzichteten: denn sonst dürften sie diese immer noch dem Glück der von ihnen verachteten Fellahs vorziehen. Er müßte daher nicht gleich im Anfang die höchst möglichen Zinse von seinem Kapital ziehen wollen. Allein Mehemed Ali ist nicht der Mann, welcher einen Weg einschlägt, auf dem er nicht unmittelbar zum Ziele gelangt; seine Rechenkunst reicht nicht über das Jahresbudget hinaus, und darin giebt es keine Rubriken für Ausgaben zur Verbesserung des gesellschaftlichen Zustandes. Man kann Mehemed Ali nicht zumuthen, daß er mit Gesinnungen des Wohlwollens und der Menschenliebe seine Völker beherrscht, daß er sich um ihr Wohlseyn, um ihre

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_128.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)