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Das Ausland. 1,2.1828


zu gut kommen, als den von den Haupt-Städten, den Vereinigungspunkten des geistigen Lebens entfernten Landbauern und Bewohnern der kleinern Orte.

Im Jahr 1826 erschienen in den Vereinigten Staaten 28 deutsche Zeitungen: sie geben einen Begriff vom Geist ihrer Leser. Einige Nummern des Lancaster-Adlers vom Sept. vorigen Jahrs liegen vor uns. Es ist ein Mitwochsblatt für die pennsylvanische Stadt Lancaster, wo die deutsche Bevölkerung bedeutend ist. Man sollte nicht denken, daß der deutsche Adler so demokratisch werden könnte, und doch ist es unser deutscher Amerikaner in einem Grade, daß man ihn in Europa einen Revolutionär nennen würde. Also ist er wohl auch ein Freidenker, vielleicht gar ein Atheist? Nein; dieß sind die Demokraten nur in Europa; in Amerika ist Frömmigkeit und Freiheitsliebe gepaart; und es zeigt sich, daß der Standpunkt des Monarchismus keineswegs der einzige ist, von welchem aus die Anerkenntniß einer göttlichen Ordnung der Dinge möglich ist. Amerika, das einen Priestley und einen Paine hat, ist im Ganzen der rationalistischen Religionsansicht fremd geblieben, und je ausgedehnter dort die bürgerliche und politische Freiheit ist, desto bescheidener und demüthiger bleibt der religiöse Sinn. Unser Adler hat einige poetische Schwingfedern, die ihn nicht selten auch zu religiösen Hymnen erheben. Das Blatt hat eine eigene Rubrik, Tempel der Musen genannt, wo wir ein und das andere Gedicht, meist aus den ältern Werken eines Gellert, Hölty, Schubart und anderer (z. B. von letzterem die Fürstengruft) lesen. Wie sehr unser deutsch-amerikanischer Journalist Demokrat ist, haben wir schon bemerkt. Als solcher nimmt er die Partei für Jackson, und unterstützt eifrig die Candidatur desselben um die Präsidentenstelle. Er scheint nicht zu fürchten, daß der tapfere General, wie die Faktion der Föderalisten glauben machen will, die Republik mit einem Militärdespotismus bedrohe. In einem Staate, der nicht volle 6000 Mann stehendes Militär, auf einer unermeßlichen Grenze zerstreut, zählt, ist wirklich diese Gefahr ebenso undenkbar, als die Furcht vor dem Ehrgeize eines ergrauten Kriegers selbst, der sich hohe Verdienste um sein Vaterland erworben hat. Ein großer Theil des Journals ist dem Wahlwesen gewidmet: die Bewerber um Scherifs-, Coroners-, Repräsentanten-Stellen empfehlen sich ihren Mitbürgern. Diese Art von Anbietung geht aber mit aller Anständigkeit, ohne Gehässigmachung der Mitbewerber, vor sich; es ist mehr eine Artigkeit, die man in allen Ländern denen beweist, die Stellen zu vergeben haben, und hier also dem Volke. Nur wo es sich um höhere politische Interessen handelt, verräth sich der Parteigeist, der dann keine Umtriebe gegen die Gegner spart. In Bezug auf das Ausland sind die Urtheile häufig hart, mehr aus Unkenntniß der Sachen, als aus Mangel an Wohlwollen, und wenn die Sprache des Amerikaners manches, was unsere zarten Ohren nicht vertragen, mit dem wahren Namen bezeichnet, so ist jene Freimüthigkeit oft weniger tadelswerth, als unsere übertriebene Delikatesse lächerlich und befangen. Der Landcaster Adler ist ein Freund der Neger, der Indianer und der Griechen, der Aufklärung und der religiösen Duldung; wo er diese bedroht glaubt, kann er sich dann auch heftiger Ausfälle nicht enthalten: davon zeugen seine groben Artikel gegen Frankreich, Spanien und andere Länder, in welchen die apostolische Partei mächtig ist. Ohne ein großer Politiker zu seyn, zeigt er in der Wahl der Gegenstände die er aufnimmt, einen hellen natürlichen Verstand, und das Bestreben, seine Mitbürger auf eine angenehme Art zu belehren. Was seine Sprache betrifft, so findet man sie bei Gegenständen des gemeinen Verkehrs schon etwas mit fremden Redensarten versetzt: sonst ist sie ziemlich rein. Wir geben zum Beschluß aus der Numer vom 8ten Oktober wörtlich einen Artikel über die deutsche Literatur, die der Adler aus der United-States-gazette, vom 2ten Juli des vorigen Jahrs entlehnt.

„Es ist zufällig denen, die keine Reise gemacht haben, ein Vergnügen, sehr häufig verachtende Anspielungen auf die Sprache, Sitten und Litteratur Deutschlands zu machen. Allein gegenwärtig sollten wir vermuthen, sind obige üble Sitten verschwunden: denn es herrscht jetzt eine ungemeine Neigung der Staaten Neu-Englands zur deutschen Literatur, und wir bemerken, daß nicht nur deutsche Professoren in den wissenschaftlichen Lehranstalten von Massachussetts angestellt sind, sondern daß auch die griechischen Bücher der Harward-Universität von deutschen Herausgebern sind, und die griechische Grammatik ein Deutscher abgefaßt hat, und eine Geschichte unsers eigenen Landes von einem deutschen Professor geschrieben ist.“

„Der Herausgeber der United States-gazette, (fügt der Adler bei,) führt nur einzelne Thatsachen an und glaubt, daß schon deßwegen die deutsche Literatur sehr empfehlenswerth sey. Wie würde er aber staunen, wenn er das ganze ungeheure Feld der ganzen deutschen Literatur übersehen könnte! Wir wollen nicht einmal von den großen Dichtern der deutschen Nation, von Hans Sachs, dem Nürnberger Schuhmacher, bis auf Göthe sprechen; wir wollen blos der wissenschaftlichen Werke in allen Fächern gedenken, der ausgezeichneten Philosophen, Mathematiker, Astronomen, Naturhistoriker, der vortrefflichen Geschicht- und Erdbeschreiber, der ausgezeichneten Mediziner, Theologen und Philologen. Wem es vergönnt ist, nur einen Theil dieses Feldes deutscher Literatur zu überschauen, wird staunen und mit Bewunderung erfüllt seyn. – Die wissenschaftlich gebildeten Amerikaner wissen die deutsche Literatur zu schätzen, und werden bei weiterem Fortschreiten in den spekulativen Wissenschaften immer mehr ihren Werth einsehen lernen.“

Anerkennen müssen wir es überhaupt, daß von unserm Landsmanne des alten deutschen Vaterlands immer mit Wohlwollen gedacht wird; insbesondere aber müssen wir ihm dafür danken, daß er seinen Amerikanern das Unschickliche jener Bettelvisiten für geistliche Hochschulen, womit sie das arme Deutschland schon belästigt haben, „um auch in dem freien Amerika Gewissensherrschaft und Vernunftvormundschaft einzuführen,“ ernstlich verweist.


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_141.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)