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Das Ausland. 1,2.1828

Dichter und Künstler, die Hofdamen und Dandies[1] sein Auditorium bildeten?

(Schluß folgt.)


Die Agraviados in Spanien.


(Beschluß.)

Vergebens hatte die apostolische Partei, oder – um uns eines bezeichnenden Ausdruckes zu bedienen – die Hierarchie, alle ihrem Reichthum, ihrer Macht, ihrem Einfluß zu Gebote stehenden Mittel angewendet, um durch friedliche Ausgleichung mittelst einer nur auf das Cabinett und die Umgebung des Fürsten wirkenden Intrigue ihr Ziel zu erreichen. Das Beispiel der von ihnen selbst gestürzten Constitution mußte die Leiter dieser Partei vorsichtig machen, indem es sie belehrte, wie wenig die Continentalregierungen, deren Einschreiten sie ihren Sieg verdankten, geneigt wären, Verletzungen der dem Throne gebührenden Achtung ungeahndet zu lassen. Man fand daher für gut, einen Weg einzuschlagen, der ungefähr die Mitte hielt zwischen bloßer List und offener Gewalt, und indem er dem König das volle Gewicht der letzteren zeigte, die Schuldigen doch nur für den Gebrauch der erstern verantwortlich machte.

War einst die Stütze der Constitution hauptsächlich der vermögendere und gebildetere Theil der Bevölkerung von Spanien gewesen, und zählte dieselbe daher ihre entschiedensten Anhänger in den reichen Provinzen Valencia und Andalusien, so konnte die Geistlichkeit dagegen auf die treue Anhänglichkeit jener Klassen der Gesellschaft rechnen, die ohne eigenes Vermögen, wie ohne Bildung, wenn auch nur heimlich immer die natürlichen Feinde aller derer sind, die durch die Gunst des Schicksals sich im Besitze beider befinden, auf die Ergebenheit des Pöbels in der Hauptstadt wie in den Provinzialstädten, und des größten Theiles der Landbewohner in den von der Natur weniger begünstigten Provinzen der Monarchie, vor allen aber des gebirgigen Cataloniens. Wenn die Cortes den wohlhabenden Bürger und Landmann zur Vertheidigung der Constitution bewaffnet und, neben der Linienarmee, aus seiner Mitte eine Art Landwehr (las milicias) gebildet hatten, so war es der Hierarchie gelungen, durch die Vorspiegelung, daß nur dadurch die stets unter den Waffen stehende constitutionelle Parthei gezügelt werden könne, den König zur Bewaffnung des Pöbels und des niedrigsten Volkes zu vermögen. In demselben Sinne, wie die „freiwilligen Milizen“ den immer mehr oder weniger royalistischen Linientruppen gegenüber das eigentliche constitutionelle Heer gewesen waren, wurden die sogenannten „royalistischen Freiwilligen“, das Heer der Hierarchie: und den vorurtheilsfreien Beobachter durfte es daher nicht befremden, die letzteren bald eben so kühn im Kampfe mit den Truppen des Königs zu erblicken, als einst die ersteren (am 7. July).

Betrachten wir den Gang der Ereignisse von dem ersten Moment, wo die Hierachie von ihren Streitkräften Gebrauch zu machen anfing, bis auf die neueste Gegenwart, so können wir der Mäßigung, Umsicht und Klugheit, welche dieselbe fortwährend entwickelt hat, unsere Bewunderung nicht versagen. Das Verlangen der Wiedereinführung der Inquisition hatte die für die Plane der Parthei gefährliche Folge gehabt, daß der König anstatt dieses hierarchischen Institutes ein royalistisches mit ähnlichen Functionen, aber nicht von der Geistlichkeit, sondern von der Regierung abhängig, errichtete. Die Einführung der Polizei in Spanien mußte, als der erste Schritt zu einer monarchischen Organisation des Königreiches, die den Interessen der Geistlichkeit nicht minder verderblich geworden wäre, als die Wiedereinführung der Constitution selbst, die Hierarchie daran erinnern, daß es die höchste Zeit sey, sich ihrer vollsten Macht zu bedienen, wenn sie ihr Spiel nicht ohne Widerstand verloren geben wollte. Sogleich liefen aus allen Provinzen Nachrichten ein, das Volk zeige Unzufriedenheit über die Errichtung einer Behörde, die, von dem ketzerischen Frankreich entlehnt, dem Charakter des Spaniers eben so sehr, als seiner Religion fremd sey. „Hinweg mit der Polizei! Nieder mit den Negros! Es lebe die Inquisition und der absolute König!“ war der Ruf, welcher dem unbewaffneten und bald auch dem unter dem Namen der royalistischen Freiwilligen bewaffneten Pöbel zur Losung bei Tumulten diente, die gewöhnlich mit der Mißhandlung und Plünderung der Constitutionellen, d. h. aller, die etwas zu verlieren hatten, endigten. In wieweit diese Scenen von der Geistlichkeit hervorgerufen und geleitet waren, wollen wir unentschieden lassen; daß aber von ihr die erste Veranlassung zu denselben ausging, kann nach dem Verfolg gegenwärtig keinem Zweifel mehr unterworfen werden.

Als diese Auftritte, außer den Folgen der Ausschweifungen, von denen sie begleitet waren, ohne Wirkung blieben, und die neu organisirte Polizei durch einen verständigen Intendanten (Recacho) immer festeren Fuß faßte, verschwand plötzlich Bessieres, einer der Verwegensten der Partheigänger, welche die ehemalige Glaubensarmee geführt hatten, aus Madrid, wo er mit Gunstbezeugungen überhäuft worden war, und erschien an der Spitze einer bewaffneten Bande in Aragonien, die dasselbe Geschrei erhob, welches bei den vorangegangenen Meutereien der royalistischen Freiwilligen gehört worden war. Die Verwegenheit der Empörer in diesem, wie in einigen früheren Fällen, ging so weit, daß man dem Könige selbst den Tod drohte, und seinen Bruder, Don Carlos, zum Regenten ausrief. Lächerlich war es, die Rebellen deshalb Carlisten zu nennen, da es erwiesen ist, daß aller Versuche ungeachtet, die zur Verführung dieses Prinzen gemacht wurden, Don Carlos nie einen Augenblick in seiner Treue gegen seinen Bruder und Fürsten gewankt hat. Aber wahrscheinlich war das Ganze nur ein Schreckbild, das dem schwachen Ferdinand das einst durch ihn selbst seinem Vater bereitete Schicksal in das Gewissen zurückrufen und ihn dadurch gehorsamer gegen die Gebote des Himmels machen sollte. Die Farce verfehlte indeß ihren Zweck; und wenn sie auf ein Lustspiel berechnet war, so mußte es ihre Urheber betrüben, sie bald in ein Trauerspiel verwandelt zu sehen. Die Regierung

  1. Stutzer.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_157.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)