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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 40. 9. Februar 1828.

Briefe aus Constantinopel und Arzroum.[1]


Pera, den 1. März 1827.

„Ich habe mich mehrere Monate in Konstantinopel aufhalten müssen, um mich im Sprechen des Arabischen Türkischen und Persischen zu üben, die ich in Paris nur als todte Sprachen getrieben hatte. Nach allem, was ich hier über Tiflis in Erfahrung bringen konnte, sehe ich, daß ich mich sehr getäuscht habe, wenn ich annahm, daß die russische Hauptstadt von Georgien mir außer dem Umgang mit einigen türkischen und persischen Kaufleuten die geringsten Hülfsmittel für meinen Zweck dargeboten hätte, und ich glaubte, mir auch in dieser Beziehung Glück wünschen zu können, daß ich durch die Umstände genöthigt wurde, den Winter in Constantinopel zuzubringen.

Von dem Tage nach meiner Ankunft an, suchte ich mir den Unterricht einiger nicht unwissender Khodschas zu Nutze zu machen, und mit ihrer Hülfe habe ich schnellere Fortschritte in diesen Sprachen gemacht, als ich selbst gehofft hatte. Als ich, besonders im Persischen, keine Schwierigkeiten mehr in der gesellschaftlichen Unterhaltung fand, hielt ich mich bereit, Constantinopel mit dem December zu verlassen. – Ich wollte Kleinasien durchreisen, und mich über Arzroum gerades Weges nach Tauris begeben. Ich hatte Briefe von dem französischen Gesandten an Ghalib, Pascha von Arzroum, erhalten: und Lord Stratford Canning, dem ich von General Guilleminot vorgestellt wurde, gab mir ein Empfehlungsschreiben an die englische Gesandtschaft in Persien.

Ich hatte für meine Reise türkische Kleidung angenommen, weil der Anblick der fränkischen Tracht in Kleinasien zu selten und unwillkommen ist, um den Reisenden, der sie trägt, nicht vielen Unannehmlichkeiten auszusetzen. Ich glaubte, da die Jahreszeit archäologischen Beobachtungen und Excursionen doch nicht günstig war, den Gebrauch von Postpferden dem weniger kostspieligen, aber äußerst langsamen Karavanengange vorziehen zu müssen, und hatte daher bereits einen Tataren von der Post zu meinem Begleiter erwählt. Aber der unerhörte Regen, der den ganzen Monat December hindurch nicht aufhörte, machte meine Abreise unmöglich, und zwang mich meine Reise nach Persien bis zu Ende dieses Monates aufzuschieben, wo ich hoffen kann, daß die Jahreszeit mir keine Schwierigkeiten mehr in den Weg legen wird.

Meinen Aufenthalt in Constantinopel habe ich so nützlich als möglich zu machen gesucht. Gleich bei meiner Ankunft wandte ich mich an Hrn. Ducauroy, der sich mit dem Studium der orientalischen Sprachen beschäftigt, um durch seine Vermittlung Zutritt zu den Bibliotheken von Constantinopel zu erhalten. Ich wollte mir wenigstens Abschriften von den Catalogen der darin aufbewahrten Manuscripte verschaffen, damit man in Europa nicht länger genöthigt sey, dem ersten besten zu glauben, der versichert, dieses Werk fände sich zu Constantinopel, und jenes nicht. Hr. Ducauroy machte mir indeß bemerklich, daß es sehr schwer fallen würde, in Constantinopel jemand zu finden, den man zu wissenschaftlichen Arbeiten in den Bibliotheken dieser Stadt würde brauchen können, und daß es selbst nicht wahrscheinlich sey, daß die türkische Regierung erlauben werde, Abschriften von den Catalogen zu nehmen, besonders in diesem Augenblicke, wo sie in großer Bewegung, und selbst in Beziehung auf die geringsten Kleinigkeiten, mißtrauischer sey, als je. Auch fand ich in der Folge, daß Hr. Ducauroy vollkommen recht hatte, wenn er behauptete, daß die hohe Pforte eben nicht geneigt sey, wissenschaftliche Untersuchungen der Christen in ihren Staaten zu begünstigen. Vor kurzem erst hat ein Firman allen Buchhändlern von Constantinopel verboten, arabische, persische oder türkische Manuscripte an Ungläubige zu verkaufen; eine Maßregel, die mir sehr hinderlich gewesen wäre, wenn ich nicht Mittel gefunden hätte, sie zu umgehen. Der Reis-Effendi wollte nicht einmal einen Firman für den Eintritt in die Moscheen, zu denen der größte Theil der Bibliotheken der Stadt gehört, zugestehen; und er antwortete Hrn. Desgranges, der denselben für mich verlangt hatte, die Pforte pflege die Erlaubniß zum Besuche der Moscheen niemanden außer den Gesandten zu ertheilen. Ich hatte indeß in dem Khodscha Anton dem Indier (demselben, der mit Lord Elphinstone in Kabul gewesen war) einen eben so unterrichteten als wohlwollenden Mann gefunden, der bei mehreren Gelehrten und Großen von Constantinopel in großem Ansehen stand. Dieser machte mich, um mir den Zutritt zu den Bibliotheken zu verschaffen, mit dem Rumeli-Kazi-asker und mehreren anderen Ulemas von großem Einfluß

  1. Hr. Schulz, Prof. der orientalischen Sprachen an der Universität in Gießen, hat im Sommer 1826 eine große Reise angetreten, um die Sprachen, Alterthümer, Geographie, Geschichte und Literatur der Völker des Orients, besonders der persischen Monarchie, an Ort und Stelle zu studiren. Das Nouveau Journal Asiatique, das in seinem neuesten Heft (Januar 1828) diese Briefe mittheilt, verspricht fortlaufende Berichte über diese Reise zu liefern.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_167.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)