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Das Ausland. 1,2.1828

Ueber das natürliche Absterben der Neger-Sklaverei.


(Schluß.)

Es mag auf den ersten Anblick sonderbar scheinen, daß das gänzliche Aufhören des Preises bei einem Gegenstande des Eigenthums für den Eigenthümer solle vortheilhaft seyn können, aber man wird dieß leicht begreifen, wenn man bedenkt, daß die Sclaven fast bloß zur Bearbeitung des Bodens gebraucht werden, und daß Land und Sclaven demselben Herrn gehören. Nun aber erzeugen Land und Arbeit zusammen das Produkt; steigt der Preis des Produkts, so steigt natürlich auch der Werth von beiden; bleibt der Preis unverändert, so bleibt auch der Preis von Land und Arbeit zusammengenommen derselbe. Aber wenn auch der Werth der beiden Sachen, die das Produkt hervorbringen, zusammen unverändert bleibt, so können doch im Werth von jedem derselben große Veränderungen eintreten. Da die Menschen sich in der Regel vermehren, so sinkt ihr Werth und der Werth ihrer Arbeit; aber soviel gewinnt das Land an Werth, weil es gesuchter wird, denn das Land ist nur da gesucht, wo es viele Menschen gibt. Der Herr verliert daher bei diesem Absterben der Sclaverei nichts, wenn er nur eine hinreichende Anzahl von Arbeitern behält; und dieß wird der Fall seyn, denn der freie Arbeiter arbeitet, um etwas zu verdienen, mehr, als der Sclave aus Zwang arbeitet. Dieses Mehrarbeiten ist freilich anfangs blos Vortheil des freien Arbeiters; aber wenn wir annehmen, er arbeite noch einmal so viel, so ist dieß offenbar gerade so gut, als wenn die Zahl der Arbeiter verdoppelt wäre, was dann natürlich eine große Concurrenz und folglich eine Herabsetzung des Arbeitslohns veranlaßt, so wie den Werth des Landes und den Vortheil, den man aus demselben zieht, verhältnißmäßig steigert. Die Landbesitzer würden daher mit der Zeit einen großen Theil des Vortheils genießen, der aus dem Ueberfluß an Arbeitern hervorgeht. Diese Thatsachen sind historisch erwiesen, denn wir haben niemals gehört, daß der allmählige Uebergang von der Sclaverei zur Freiheit irgend einem Lande oder irgend einem Lande oder irgend einem Einzelnen schädlich gewesen sey.

Wir kommen jetzt zu der Betrachtung, was diesen natürlichen Uebergang hätte befördern können, oder was ihn verzögert hat, und warum dieser natürliche Lauf der Dinge so geringe Fortschritte in den brittischen Colonien und in den Vereinigten Staaten macht. Es ist gewiß, daß in den Vereinigten Staaten das Zunehmen der Sclavenbevölkerung in vollem Gange war, und längst die Arbeit wohlfeil und das Land theuer gemacht haben würde, wenn nicht ungeheure Strecken neuen und fruchtbaren Landes eine stete Gegenwirkung gewesen wären. So zogen die Virginier Sclaven zum Verkauf, als ihr Boden durch die von Sclaven betriebene Bearbeitung ausgemergelt war (denn wenn Menschen statt Vieh arbeiten, und wenig animalische Stoffe genießen, so muß der Boden nach und nach immer schlechter werden), weil sie sie nach den neuen südwestlichen Staaten mit Vortheil verkaufen konnten. Auf den englischen westindischen Inseln dagegen ist wenig Land, welches sich bebauen läßt, und wenn die Sclaven sich dort so vermehrt hätten, wie in den Vereinigten Staaten, und der Sclavenhandel der Colonien unter einander immer verboten gewesen, oder wirklich verhindert worden wäre, so hätte die Natur der Verhältnisse auf den meisten der Inseln die Sclaven bereits in freie Leute verwandeln müssen. Was die unbegränzten Strecken fruchtbaren Landes in den Vereinigten Staaten bewirkt haben, das haben Privilegien und Prohibitivgesetze in den brittischen Colonien gethan: denn es ist ganz einerlei, ob die Arbeit durch die Menge fruchtbaren Landes oder durch begünstigende Gesetz im Preise erhalten wird.

Wir haben bisher versucht, die Sclaven wie jedes andere Eigenthum zu betrachten, aber jetzt machen die Westindier selbst Einwürfe gegen diese Ansicht. Sie sagen, gehörige Preise setzen den Pflanzer allein in den Stand, seine Sclaven gut zu behandeln. Hiegegen wollen wir nur folgendes zum Beweise anführen. Die Zahl der mehr gestorbenen Sclaven auf den westindischen Inseln, betrug in den sechs Jahren von 1818–1824 nach dem Anti-Slavery Reporter, No. 26. – 28,000; während auf Hayti in derselben Zeit 11,000 mehr Neger geboren wurden. Hiernach ließe sich schon ungefähr beurtheilen, wie die Sclaven auf den brittischen Inseln behandelt werden, wenn man es auch sonst nicht wüßte. „Nicht eher wird die Grausamkeit und Mißhandlung der Sclaven aufhören, als bis der Vortheil aufhört, den die Pflanzer von ihnen beziehen!“ –

Es ist anerkannt, daß in Nord-Amerika die Sclaven in den nördlichen und mittlern Staaten, wo der Vortheil, den man von den Sclaven hat, geringer ist, am mildesten behandelt werden, in den südlichen dagegen, wo sie weit mehr Gewinn abwerfen, viel härter. Das Abnehmen der Anzahl der Sclaven in Demarari, der fruchtbarsten und einträglichsten brittischen Colonie, wo ein Sclave 86 Pfd. gilt, und das Zunehmen derselben auf den Bahamainseln, wo wie nur zu 21 Pfd. im Preise stehen, ist ebenfalls eine Bestätigung der aufgestellten Behauptung.

So sehr auch die Fortschritte in der intellectuellen Bildung das Wohl der Völker und der Menschheit im allgemeinen befördert haben, so fürchten wir doch, daß man in dieser Hinsicht nicht nur nicht weiter gekommen ist, sondern im Gegentheil Rückschritte gemacht hat. Die Sklaven im brittischen Westindien sind jetzt schlimmer daran, als vor zwei Jahrhunderten: und es läßt sich nicht läugnen, daß dieselben Maßregeln, die die Sklaverei dort aufrecht erhalten, sie auch in jedem Lande von Europa würden aufrecht erhalten haben: so daß, wenn dieser Boden stets nur durch den Sklaven mit dem Karst in der Hand bearbeitet worden wäre, dieser Zustand noch immer fortdauerte, wenn man auf dieselbe Weise wie in Westindien verhindert hätte, daß freie Arbeiter, Zugvieh und der Pflug zur Bearbeitung des Landes mitwirkten. Eben in dieser gewaltsamen Verhinderung liegt die stets wachsende Härte gegen die Sklaven; je länger sie fortdauert, desto unnatürlicher und desto drückender wird auch die Tyrannei.

Edinburgh-Review
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_170.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)