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Das Ausland. 1,2.1828

dieß auch nur geschah, um mittlerweile eine größere Macht aufzubringen. Nachdem wir unsere Zelte aufgeschlagen und unser Gepäck auf die gewöhnliche Weise aufgestellt hatten, begnügten wir uns mit einem frugalen Mahle von Reis und Dholl, und begaben uns, so wie es dunkel zu werden anfing, zur Ruhe, da wir am andern Morgen in aller Frühe unsern Marsch fortsetzen wollten, wenn die Khuttuks uns nicht daran verhinderten. Beim Einbruch der Nacht breitete sich ein Schwarm von Reitern und Fußvolk um unser Lager aus, unter dem Vorwande, uns gegen Diebe zu beschützen, ohne Zweifel aber nur in der Absicht uns zu bewachen und unser Entkommen während der Nacht zu verhüten. Wir hatten unsere Kameele in einiger Entfernung von dem Lager untergebracht, da in der Nähe desselben kein Gebüsch war, das ihnen zum Futter hätte dienen können, und wir fanden uns nun von denselben durch die Posten der Khuttuks getrennt. Alles ließ uns einen Angriff noch während der Nacht erwarten; doch verging diese friedlich, und durch ein Mißverständniß wurden am Morgen auch unsere Kameele freigelassen. – Mit Sonnenaufgang begannen wir, uns auf unsere Tagreise vorzubereiten, und nicht sobald bemerkten die Khuttuks, daß wir weiter ziehen wollten, als sie sich in einen starken Haufen sammelten, um uns – wie es sich geben würde – entweder zu plündern, oder eine schwere Steuer aufzulegen. Sie waren ungefähr 700 an der Zahl, bewaffnet mit Luntengewehren, Schwertern und Lanzen. Unsere ganze Macht dagegen war nur dreißig stark, und wir bildeten dem Feinde gegenüber zwei Colonnen, jede von fünfzehn Mann, auf der linken Flanke durch ein kleines metallenes Feldstück gedeckt, während unsere Kameele hinter der Linie beladen wurden. Die Khuttuks standen in einem Haufen uns gegenüber, ungefähr fünfzig Schritt von unseren Reihen entfernt, und durch das Bett eines ausgetrockneten Flusses von denselben getrennt. Unsere Kameele waren bepackt und wir waren im Begriff unsern Marsch anzutreten, als ein Theil der Khuttuks in das Flußbett hinabstieg, um uns näher zu kommen und – wie sie meinten – durch das Ufer vor unsern Kugeln geschützt, ohne Gefahr auf uns feuern zu können; zuletzt kamen sie alle in das trockene Bett hinab. Sogleich stellte sich die eine Hälfte unserer Mannschaft mit der Kanonen an dem Ufer auf und erklärte, daß gefeuert werden würde, so wie sie eine Bewegung machten, sich uns noch mehr zu nähern. Einige der vordersten zogen sich hierauf schnell zurück und fielen auf den großen Haufen hinter ihnen, so daß eine allgemeine Verwirrung entstand; wenn wir in diesem Moment gefeuert hätten, würde keine Kugel von uns gefehlt haben. Wir hielten es indessen für klüger, unsern Marsch fortzusetzen, indem wir die Khuttuks auf unserer Linken ließen; unsere Kameele voran, die Bewaffneten in der Nachhut; und obgleich die Khuttuks uns noch eine kurze Strecke folgten, so wagte doch keiner uns nahe zu kommen. Dieser Vorgang wird Ihnen einen Begriff von dem Charakter von Rundschiet Singh und zugleich von dem Muthe der Afghanen geben, die mit siebenhundert Mann Scheu trugen, ein Häuflein von dreißig auf europäische Art bewaffneten Männern anzugreifen.[1]

Wir wurden in Peschawer von dem Fürsten sehr zuvorkommend aufgenommen und haben seither eben so wenig Ursache gefunden, uns über das Benehmen des Volks im allgemeinen zu beklagen, obgleich das Land in einer traurigen Lage ist. Vor kurzem habe ich mit Moorcroft eine Execution in das Land der Wuzenies, einem Theil von Afghanistan gemacht, um die Pferde dieser Gegend zu sehen. Mr. Moorcroft meint, daß sie für den Gebrauch der brittisch-indischen Armee sehr geeignet wären. Wir waren begleitet von einem mahommedanischen Priester, der hier in großer Achtung steht. Das Volk war sehr gastfreundlich gegen uns und versah uns mit Nahrung und selbst mit Betten für unsere Diener. – Wir werden in kurzem nach Kabul aufbrechen und, wenn kein unvorhergesehenes Ereigniß uns aufhält, hoffen wir gegen Ende Mai in dieser Stadt zu seyn. – Das Clima von Peschawer war im Winter gemäßigt, jetzt wird es aber bereits ungemein heiß. – Dieser Theil von Asien würde ein offenes Feld für viele Hundert Indobritten darbieten, wenn man hier eine Colonie anlegen wollte, die nicht nur die gegenwärtige Lage der Einwohner verbessern, sondern auch der Ausbreitung des Christenthumes sehr förderlich seyn würde.

  1. Runjiet Singh, der Fürst (Maharajah) der Sheiks, der aus Mißtrauen Moorcrofts Expedition so viele Hindernisse in den Weg legte, ist in neuerer Zeit in freundliche Verhältnisse zu den Engländern getreten und hat erst im Mai d. v. J. eine Gesandtschaft von dem General-Gouverneur von Ostindien empfangen. Er wird beschrieben als ein Mann von kleiner Gestalt, ungefähr fünfzig Jahr alt, sehr lebhaft und von durchdringendem Verstande. Er hat, außer dem gewöhnlichen Heerbann, gegenwärtig eine bedeutende Macht von völlig auf europäische Art bewaffneten und disciplinirten Truppen auf den Beinen, die von zwei ehemaligen französischen Offizieren, Ventura und Allard, organisirt wurden. Im Anfang des v. Jahres erhielt er mit Hülfe dieser Truppen einen großen Sieg über ein Heer von nahe an 100,000 fanatischen Muselmännern, aus den verschiedenen Stämmen der Afghanen, die sich unter der Anführung eines von dem Grabe des Propheten zurückgekehrten Pilgers, Syed Ahmed Ali, zu einem Kreuzzuge wider die ungläubigen Scheiks vereinigt hatten. Der größte Theil dieses furchtbaren Heeres wurde aufgerieben; und die Beherrscher von Peschawer und Kabul, die dasselbe unterstützt hatten, so wie mehr als dreißig Sirdars (Häuptlinge) der Afghanen waren genöthigt, sich der Herrschaft des siegreichen Maha-Rajah zu unterwerfen, der durch diese Eroberungen einer der mächtigsten Fürsten von Asien geworden ist, indem seine Staaten sich von den Ufern des Setledje (eines der Nebenflüsse des Indus) bis Kandahar ausdehnen. S. Asiatic Journal, Aug. 1827. pag. 273. Oct. pag. 321. Dec. pag. 776. Jan. 1828. pag. 97. Febr. p. 263.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_260.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)