Seite:Das Ausland (1828) 263.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Der Arck soll vor mehr als tausend Jahren von Arslan-khan erbaut worden seyn. Er steht auf einem künstlichen Hügel, und ist mit einer zehen Toisen hohen Mauer umgeben. Das einzige Thor, durch das man eingeht, hat zu jeder Seite einen fünfzehen Toisen hohen Thurm, dessen Dach ehedem mit grünen glasirten Ziegeln bedeckt war, wovon man noch einige sieht. An dieses Thor erstreckt sich ein gewölbter Gang, der sehr alt zu seyn scheint. Geht man diesen entlang, so kommt man auf die Spitze des Hügels, wo sich die mit Lehm gemauerten Häuser befinden, die von dem Khan und seinem Hof bewohnt werden.

Bei der Audienz hatten die Russen Gelegenheit, einen Blick ins Innere der Residenz zu tun. Als sie in den Audienzsaal traten, fanden sie den Khan auf Polstern sitzend, über welchen ein rother reich mit Gold durchwirkter Teppich lag. Auf dem Boden war ein persischer Teppich von ziemlich mittelmäßiger Qualität ausgebreitet; die Wand war gegipst und die Decke mit gemahlten Brettern verkleidet.

Das Minaret von Mirgharab, ein Werk Timurs oder, nach Andern, Kizil-Arslan-khans, ist ein dreißg Toisen hoher Thurm, der zwischen der Medressé dieses Namens und der Hauptmoschee, Mesdschidi-kalan, steht. An der Grundfläche beträgt sein Umfang ungefähr zwölf Toisen; derselbe vermindert sich aber mit zunehmender Höhe. Die architektonischen Verhältnisse dieses Gebäudes, das sich trotz seines Alters vollkommen erhalten hat, haben eine gewisse Leichtigkeit; besonders gefällig ist die Art, wie die Backsteine gelegt sind. Einst, erzählt Herr von Meyendorff, hatte ein vorwitziger junger Theologe, bei den gelehrten Unterhaltungen, denen der Khan selbst beiwohnt, seine neologischen Ansichten mit scharfsinniger Logik auseinander gesetzt: da wies ein bärtiger Ulema auf das Minaret von Mirgharab hin und sprach: Willst du von dieser Höhe herabgestürzt werden? – So disputirt man in der Bucharei! –



Grundzüge der Geschichte der Philosophie bei den Chinesen.


(Fortsetzung.)

Die große Neigung der Chinesen zu philosophischen Studien, und ihre Institutionen, welche jeden künftigen Staatsdiener zwingen die alten Werke gründlich zu lesen, zu meditiren, auswendig zu lernen, und zu erklären, haben bei diesem Volk, das Geschmack an Literatur und eine Art von Druckerei hat, eine unglaubliche Anzahl philologischer, historischer und dogmatischer Commentare hervorgebracht, in denen die Exegeten, aus Neigung etwas neues zu sagen, und aus Verzweiflung etwas finden zu können, sich theils ausschreiben, theils widersprechen. So hat sich z. B. der I-King (die Sammlung von Symbolen, von denen oben die Rede war) alle Erklärungen gefallen lassen, weil er nichts bedeutet, und ist wechselsweise und mit gleichem Glück moralisch, metaphysisch, cosmogonisch und sogar physikalisch und herantisch gedeutet worden. Die Zahl der Träumer, welche ihre Zeit daran verloren haben, ist vielleicht der aller Gelehrten gleich, welche seit dem Wiederaufleben der Wissenschaft in ganz Europa sich mit der classischen Literatur beschäftigt haben. Dieß ist keine Uebertreibung, sondern reine Wahrheit, deren Beweis alle chinesischen Bibliographien enthalten; man sehe z. B. nur im 2ten Bande der Mémoires des Jésuites de Pekin einen Auszug aus dem Verzeichniß der Commentatoren der chinesischen classischen Bücher im Mittelalter. Man kann sich daher nicht wundern, wenn eine solange fortgesetzte Exegese ihre gewöhnliche Wirkung hervorgebracht hat, nemlich Verschiedenheit der Erklärungen, Zwiespalt in den Meinungen und Streit unter den verschiedenen Schulen. Eine vollständige Darstellung der chinesischen Philosophie erforderte eine gründliche Untersuchung aller dieser Meinungen; davon kann natürlich in diesem Abriß nicht die Rede seyn; allein Eine dieser exegetischen Schulen hat einen so großen Einfluß gehabt, daß sie nothwendig erwähnt werden muß. Im eilften Jahrhundert nach Christus erschien in China ein Mann, von dem unsere historischen Werke schweigen, der aber durch die Wichtigkeit seiner Arbeit und ihre bleibenden Wirkungen wohl eine Stelle in den Biographien berühmter Männer verdient hätte. Tschu-hi, genannt der König der Wissenschaft, begann seine Studien mit der Ergründung aller Werke des Alterthums, und ausgestattet mit einer Gelehrsamkeit, wie vielleicht nie ein Gelehrter irgend eines Volks, mit einer tiefen Kenntniß der Systeme der Schule von Confutse und aller andern chinesischen Sekten, unternahm er eine Vergleichung aller dogmatischen Punkte, und eine durchgreifende Untersuchung aller Stellen der classischen Schriftsteller, welche einander bestätigen oder widerlegen konnten, und legte nach Beendigung dieser ungeheuern Arbeit seine Resultate in einem großen Commentare nieder, welcher ein Muster von Klarheit, Eleganz und Bestimmtheit ist. Unglücklicherweise nahm er als Basis seiner Erklärungen eine Idee, welche zwar von der Art war, daß sie einen Mann von hohem Geist leicht verführen konnte, doch an sich äußerst unwahrscheinlich war, nemlich daß alle diese alten Schriften, obgleich zu verschiedener Zeit und unter verschiedenen Umständen verfaßt, durchaus dieselbe Lehre enthielten, da sie Confutse alle gleich anerkannt hatte. Bei diesem System suchte er nicht sowohl den Sinn schwieriger und zweideutiger Stellen, welche sich nicht mit andern, deren Sinn klar war, zu vertragen schienen, sondern wie er jene mit diesen in Einklang bringen könnte: und verwischte so Ideen von hoher Wichtigkeit, welche in einer kleinen Zahl von Stellen in den alten Büchern ausgesprochen sind, nur weil sie sich nicht mit der am häufigsten und klarsten in den classischen Büchern vorgetragenen Ansicht in Harmonie bringen ließen. Vielleicht hat sich dieser gelehrte Erklärer bisweilen von seinen persönlichen

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_263.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2021)