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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 67. 7. März 1828.

Die französischen Journale[1].

Die folgende Charakteristik der Journale möchte gerade in diesem Augenblick, nicht blos als ein auffallendes Glaubensbekenntniß des Hrn. von Eckstein, sondern auch zu näherer Würdigung der französischen Zeitblätter und ihrer Redacteurs von allgemeinerem Interesse seyn.


Das Journal des Debats. Herr von Chateaubriand und Royer-Collard.

Ich habe für Journale gearbeitet und selbst versucht eines zu gründen. Ich dachte mir die Journale nicht als eine Macht, nicht als eine Tyrannei gegen die Gesellschaft; mir waren sie ein Bedürfniß der Zeit. Der Ehrenmann ehrt jeden Beruf; an dem gemeinen Menschen geht Charakter, Amt und Würde verloren. Das winzigste Blatt ist groß genug, um Talent, Beobachtung und selbst Wissen in sich aufzunehmen. Der Gehalt, nicht das Format der Werke entscheidet über ihren Werth. In der That, die brutale Verachtung gegen den Journalismus, wovon so manche Leute nicht genug reden können, ist in eben dem Grade albern, als die Eitelkeit der Journalisten, die sich eine politische Macht dünken, lächerlich ist; hassenswerth aber ist nur die Gemeinheit jener Afterschriftsteller, die ihre Feder und ihr Gewissen an die Macht oder an die Factionen versteigern. Wenn ich mich indessen schon harter Ausdrücke gegen den Journalismus bedient habe, so darf man dieß nicht mißverstehen. Die unbeschränkteste Preßfreiheit kann keinen eifrigern, keinen entschiedenern Vertheidiger haben als mich, nur setze ich voraus, daß man dem Staat das Recht einräumen müßte, diese Freiheit, sobald sie in Zügellosigkeit ausartet, durch gesetzliche, nicht inquisitorische, Mittel zurecht zu weisen.

Sey Jemand noch so sehr aufgeblasen über seinen Reichthum oder seinen Kredit, noch so erpicht auf die Wichtigkeit seiner geckenhaften Person, wenn sich vor ihr die Salons der großen Welt aufthun – ich nehme mir die Freiheit einem solchen Herrn zu sagen: „so ein Journalist, über den ihr hinwegseht, ist mehr werth als ihr insgesammt, was Geist, Kenntnisse und solides Urtheil betrifft, und damit ist am Ende erst noch nicht alles gesagt. Der Mensch überhaupt der seine Pflicht thut, verdient so viel Achtung als die erste Person im Staat. Aber der Journalist als solcher soll seine Ansprüche nicht über die ihm angewiesene Sphäre hinaus erweitern.“

Im allgemeinen werden die französischen Zeitungen von geistreichen Männern geschrieben, welche die in Form und Inhalt zu beobachtende Haltung selten aus den Augen verlieren.

Das Journal des Debats hat ziemlich ungefangene politische Ansichten, so lange der Kampf der Persönlichkeiten und der Stellen aus dem Spiele bleibt. Ohne Zweifel zeigt sich dieses Blatt in seinem Ton etwas stolz; aber bei seiner Wichtigkeit, wer würde da zum wenigsten nicht stolz seyn? Offenkundig ist, daß es über eine Menge öffentlicher Personen in Frankreich eine sehr große Herrschaft ausübt. Hat es sich um das Vaterland verdient gemacht? War sein Einfluß wohlthätig? Das ist eine andere Frage.

Sowohl innere als äußere Angelegenheiten, sowohl Gegenstände der Verwaltung als der Regierung behandelt das Journal des Debats mit einem consequenten und unermüdlichen Oppositionsgeiste. Hier wurde des Herrn von Villele absolute Unfähigkeit bewiesen, hier wurden seine Collegen an den Pranger gestellt, und die schmählichste Strafe, die man für sie ersinnen konnte, schien noch zu mild. Männer, deren wirkliche Ansichten nichts demagogisches enthalten, deren Grundsätze, eben so weit von dem Extrem der rechten als dem Ungestüme der linken Seite entfernt, sich zu jener politischen Mäßigung hinneigen, die den Wahlspruch „Gerechtigkeit und Versöhnung“ führt – diese Männer hörten nicht auf, mit den Waffen der wüthendsten Demagogie gegen ihre Feinde zu kämpfen. Wie konnte das Journal des Debats, dessen Redacteurs so mannigfaltige persönliche Ansprüche auf die Achtung ihrer Mitbürger besitzen, sich so weit in seiner Leidenschaftlichkeit vergessen? Ist Herr v. Villele wirklich der gräuliche Mensch, für den es ihn erklärt?

Um dem Journal des Debats volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, müssen wir sagen, daß dieses Blatt, ungeachtet der Wandelbarkeiten, die ihm zum Vorwurf gemacht werden, immer mit Herrn von Chateaubriand[2] die Monarchie nach der Charte unter seiner Aegide genommen hat. Nur hat es von Zeit zu Zeit dieser Charte verschiedene Deutungen gegeben. Wenn die Parteien sich

  1. Le catholique, par M. le Baron d Eckstein. Man vergleiche den Constitutionnel vom 26. Febr. 1828.
  2. Bertin der Aeltere und Salvandy kommen als Redacteurs vorzüglich in Betracht. Letzterer besonders besitzt den esprit und den ton dominateur, der diesem Blatt eigen ist.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_277.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)