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Das Ausland. 1,2.1828

Segeln, hielten sie sie für Ungeheuer, die während der Nacht aus der Tiefe des Meeres gestiegen wären. Sie strömten am Ufer zusammen und verfolgten ihre Bewegungen mit steigender Angst. Das scheinbar ohne alle Anstrengung vor sich gehende Umwenden der Schiffe, das Einziehen und Ausspannen der Segel, welche großen Schwingen glichen, erfüllten sie mit dem höchsten Erstaunen. Wie sie sahen, daß die Boote der Küste sich näherten, und eine Anzahl unbekannter Wesen, in bunten Kleidern, mit glänzendem Stahl bedeckt, an das Gestade stieg, flohen sie voll Bestürzung ihren Wäldern zu. Als sie indessen bemerkten, daß sie nicht verfolgt noch angegriffen würden, erholten sie sich allmälich von ihrem Schrecken, und näherten sich den Spaniern mit scheuer Ehrfurcht. Dabei warfen sie sich häufig auf den Boden nieder, und machten Zeichen, als wenn sie sie anbeteten. Während der Ceremonien der feierlichen Besitzergreifung schauten sie mit starrem Blicke, in Furcht und Bewunderung, auf die Bärte, die glänzenden Waffen und Uniformen der Spanier. Vor allen zog der Admiral ihre Aufmerksamkeit auf sich, durch seine gebieterische Größe, sein würdevolles Aussehen, seinen Scharlachmantel, und durch die ihm von seinen Gefährten gezollte Ehrerbietung. Nachdem ihre anfängliche Furcht immer mehr verschwunden war, traten sie näher, berührten die Bärte der Fremdlinge, untersuchten ihre Hände und Gesichter, indem sie besonders über ihre Weiße große Verwunderung ausdrückten. Columbus, dem ihre Sanftheit, Einfachheit und das Vertrauen gefiel, das sie in Wesen setzten, die ihnen doch so unbekannt und furchtbar erscheinen mußten, ließ ihre Neugierde ganz ruhig gewähren. Die erstaunten Wilden wurden durch dieses freundliche Benehmen vollends ganz gewonnen; sie glaubten nun, die Schiffe kämen fern aus dem krystallnen Firmament hergesegelt, das ihren Horizont umschloß, oder seyen auf ihren breiten Schwingen von dem Himmel herabgestiegen, dessen Bewohner diese wunderbaren Wesen wären.[1]

Die Eingebornen der Insel waren auf der andern Seite auch für die Spanier ein Gegenstand gleicher Neugier, da sie bis jetzt nie ähnliche Menschen gesehen hatten. Nach ihrem Aussehen durfte man sich hier weder Reichthum noch Bildung versprechen, denn sie waren vollkommen nackt, bunt mit Farben bemalt, einige blos im Gesicht, um die Nase und die Augen, andere aber am ganzen Körper, was ihnen ein wildes und phantastisches Aussehen gab. Sie waren braungelb oder kupferfarben, und ganz bartlos. Ihr Haar war nicht kraus, gleich dem der neu entdeckten Stämme der afrikanischen Küste unter demselben Breitegrade, sondern straff und rauh, zum Theil an den Ohren kurz abgeschnitten, während hinten mehrere lange Locken gelassen waren, die auf die Schultern herabfielen. Ihre Züge, obgleich durch die aufgemalten Farben entstellt, waren angenehm; sie hatten hohe Stirnen und besonders schöne Augen. Sie waren von mittlerer Größe und wohl gewachsen; die meisten unter dreißig Jahren; besonders zeichnete sich ein noch sehr junges Mädchen, gleich den übrigen völlig nackt, durch ihre Schönheit aus.

Da Columbus selbst glaubte, daß er auf einer Insel des äußersten Indiens gelandet habe, so gab er den Eingebornen den allgemeinen Namen Indianer, den man später auf alle Urbewohner der neuen Welt ausdehnte.

Aus allem sahen die Spanier wie gutmüthig und sanft, wie einfach und kunstlos diese Insulaner waren. Ihre einzigen Waffen bestanden in Speeren, an dem Ende durch Feuer gehärtet, oder mit einem Kiesel oder einer scharfen Fischgräte besetzt. Man bemerkte kein Eisen bei ihnen, noch schienen sie mit seinen Eigenschaften bekannt zu seyn, denn als man ihnen ein bloßes Schwert zeigte, faßten sie es unvorsichtig auf der scharfen Seite.

Columbus vertheilte bunte Mützen, Glasperlen, metallene Glöckchen und andere Tändeleien unter sie, mittels welcher die Portugiesen gewohnt waren mit den Volksstämmen auf der Goldküste von Afrika Handel zu treiben. Sie empfingen diese Dinge als unschätzbare Geschenke, hingen die Glasperlen um den Hals und freuten sich kindisch über den Klang der Glöckchen.

Die Spanier blieben den ganzen Tag am Ufer, nach der angstvollen Reise nun unter dem herrlichen Grün der Bäume der Insel wieder neu auflebend. Erst spät am Abend kehrten sie auf ihre Schiffe zurück, ganz entzückt von allem was sie gesehen hatten. Am folgenden Morgen füllte sich beim ersten Lichte des Tages das Ufer mit Eingebornen, welche, aller Furcht ledig, die sie beim ersten Erscheinen der Ungeheuer der Tiefe gehabt hatten, zu den Schiffen herangeschwommen kamen; andere ruderten in leichten Barken herbei, die sie Canoes nannten, und die blos aus einem ausgehöhlten Baumstamme bestanden, worin vier oder fünf Menschen Platz hatten. Sie bewegten dieselben äußerst gewandt mit ihren Rudern, und wenn sie umschlugen, schwammen sie völlig kaltblütig im Wasser herum, als wäre es ihr eigentliches Element, richteten die Canoes mit großer Leichtigkeit wieder auf, und schöpften sie mit Calabassen[2] aus. Sie zeigten große Begierde, noch mehr von den Spielereien der weißen Menschen zu bekommen, augenscheinlich nicht deßwegen, weil sie ihnen irgend einen äußern Werth beilegten, sondern weil in ihren Augen alles, was aus den Händen der Unbekannten kam, eine übernatürliche Kraft hatte, da jene es mit vom Himmel gebracht hatten. Daher lasen sie

  1. Der Glaube, daß die weißen Menschen von dem Himmel herabgestiegen seyen, war unter den Bewohnern der neuen Welt allgemein. Als im Laufe der folgenden Reisen die Spanier sich mit dem Caziken Nicaragua unterhielten, fragte sie dieser, auf welche Art sie von dem Himmel herabgekommen seyen, durch Flügel oder auf Wolken.
    Herera, decad. 3. liv. IV. cap. 5.
  2. Flaschenkürbisse.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_295.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)