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Das Ausland. 1,2.1828

einiger Seeräuber, die sich über die brittische Grenze geflüchtet hatten, ohne Erlaubniß in Tschittagong einrückte. Der birmanische Befehlshaber erklärte, er würde nicht eher zurückkehren, als bis ihm die Verbrecher sammt und sonders ausgeliefert wären. Eine Armee von 20,000 Mann stand in Arrakan bereit, dieser Forderung Nachdruck zu geben. Dagegen erklärten die Britten, sich auf nichts einzulassen, bis die fremden Truppen ihr Gebiet geräumt hätten. Da sich nun jene zum Abzug und diese zur Auslieferung verstanden, so war für dieß Mal der Friede wieder hergestellt.

Eine fortwährende Ursache zu Reibungen zwischen beiden Reichen waren die Mugs aus Arrakan, welche sich von den Birmanen auf das brittische Gebiet geflüchtet hatten, von wo aus sie sich in Verbindung mit einem Theil ihrer Landsleute, die sich noch in den Gebirgen hielten, durch Ueberfälle und Räubereien an den Verwüstern ihres Landes rächten.

Im Jahr 1818 bedrohte die Britten von Neuem ein Bruch mit Awa. Die Birmanen waren insgeheim der Mahratten-Conförderation beigetreten; aber Hastings hatte ihre Bundesgenossen bereits gedehmüthigt, als die birmanische Gesandtschaft in Calcutta ankam und die Abtretung der östlichen Provinzen Begalens jenseits des Benghâttyflusses mit Einschluß von Mursched-Abad verlangte. Hastings wollte die Sache nicht sogleich auf’s Aeußerste kommen lassen, und bediente sich deshalb folgender List:

„Ich schickte, erzählt er[1], den Gesandten zurück und ließ ihm bedeuten, die Antwort auf das von ihm übergebene Schreiben seines Herrn werde demselben auf einem andern Wege zukommen. Diese Antwort ward nun zur See an den Radscha von Arrakan, den ich ersuchte, sie schleunigst weiter zu befördern. Ich sagte darin, daß ich viel zu gut die Weisheit Seiner Majestät kennte, als daß ich den groben Betrug dessen, der sich für seinen Gesandten ausgegeben, nicht sogleich entdeckt hätte. Ich sende ihm also das in seinem erhabenen Namen fälschlich ausgefertigte Schreiben zurück, und sey überzeugt, daß der Betrüger der verdienten Strafe nicht entgehen werde. So (fügt Hastings hinzu,) vermied ich die Nothwendigkeit, eine freche Beleidigung ahnden zu müssen, da ich voraussah, daß der König, der nun auf seine geheimen Verbündeten nicht mehr rechnen konnte, sich diesen Ausweg gerne gefallen lassen würde.“

Allerdings war ein Aufschub von einigen Jahren gewonnen, aber auch mehr nicht. Denn schon unvermeidlich war der Krieg, als die Birmanen 1822 Assam eroberten, und er hatte faktisch angefangen, als sie 1823–24 zwei Bundesgenossen und Vasallen der Britten, die Radscha’s von Katschar und von Dschentia, angriffen. So erhält die Grenzstreitigkeit wegen des Besitzes der an der Mündung des Naafflusses gelegenen Insel Schapari nur eine untergeordnete Bedeutung, und kann, wenn sie gleich unmittelbar dem Kriege vorausging, nicht als Ursache desselben angesehen werden. Der Naaf bildete nehmlich die Grenze zwischen dem brittischen Tschittagong mit dem birmanischen Artakan; das kaum zwei englische Meilen lange Schapari war als ein elendes unfruchtbares Eiland von keiner von beiden Mächten in Anspruch genommen worden. Im Jahr 1823 schickten die Britten einen Wachtposten dahin, ein Schritt, welchen die Birmanen für eine Verletzung[2] ihres Gebiets erklärten, worauf bald die Feindseligkeiten ausbrachen. Hätten sich, könnte man fragen, die Britten zur Nachgiebigkeit verstehen sollen, hier wo sich seit zwanzig Jahren die Birmanen schon so manche Gebietsverletzung erlaubt hatten, und in dem Augenblick, wo sie die nordöstliche Grenze von Bengalen bedrohten? Den Birmanen war der diplomatische Weg zu fremd, als daß sie darin etwas anderes als Schwäche erblickt hätten, als daß sie nicht in ihrer Siegessicherheit und ihrem Uebermuthe bestärkt worden wären. Noch mehr; die Meinung in Indien von der Unbesiegbarkeit der Britten, die stärkste Stütze ihrer Macht, war erschüttert[3]. Die ausschweifendsten Gerüchte über die Stärke und Wildheit der birmanischen Gruppen waren in Umlauf, und schon der Name „Birmane“ erfüllte die eingeborne Bevölkerung mit Furcht und Schrecken. Die Landleute, die an den Grenzen wohnten, flohen aus ihren Dörfern, und die Kaufleute von Calcutta hielten ihre Familien kaum mehr unter den Kanonen des Forts William für sicher. Die Birmanen selbst glaubten sich des Erfolgs so gewiß, daß Maha Bandula[4], ihr Obergeneral, mit goldnen Ketten versehen war, in welchen der Generalgouverneur von Indien gefangen nach Awa geführt werden sollte.

Die Britten hatten sich in Bezug auf die Schwierigkeiten und den Character des Kriegs getäuscht. Sie kannten Birma und sein Volk zu wenig. Bestochen durch die glänzenden Schilderungen einiger Reisenden, Kaufleute oder Missionäre, versprachen sie sich ein gut angebautes, mit Dörfern und Städten bedecktes Land, sie rechneten auf einen Theil der Bevölkerung, welcher die Invasionsarmee mit offenen Armen aufnehmen und die Verpflegung derselben erleichtern würde. In der bestimmten Voraussetzung, daß der Angriff auf die seeischen Provinzen des Feinds Friedenseröffnungen als nothwendige Folge herbeiführen würde, hatten sie auf der Küste von Pegu gelandet, ohne sich mit Vorkehrungen zum Behuf weiterer Operationen befaßt zu haben. Augenscheinlich war die blos 5–6000 Mann starke Armee des Generals Campbell nicht zu einem Feldzug in das Innere des birmanischen Reichs bestimmt.

Bei der Einnahme von Rangun sank der Thermometer

  1. Man sehe Lord Hastings Memoir.
  2. Den Ansprüchen der Britten auf Schapari entgegnend behaupteten die Birmanen, daß die Insel wenige Jahre zuvor in ihrem Besitz gewesen sey, in sofern sie für das Weiderecht darauf von den benachbarten Küstenbewohnern Abgaben erhoben hätten. In der That, wenn man bedenkt, daß auf allen Charten von Indien, namentlich auf den Arrowsmith’schen und Walker’schen, zu welchen die ostindische Compagnie selbst Materialien geliefert hatte, die Grenze der brittischen Provinz Tschittagong nie ganz bis zum Naaf, sondern nicht weiter als bis zur Südseite von Cox Bazer, 45 engl. Meilen nordwärts von jenem Flusse, sich erstreckt, so ist freilich das Recht der Britten auf Schapari höchst problematisch.
  3. Man sehe Narrative of the Burmese war. By Major Snodgrass, London 1827.
  4. Das heißt der Große, dessen Bewegungen so schnell sind, wie die eines Affen.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_300.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)