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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 73. 13. März 1828.

Der Sultan Mahmud auf einer türkischen Heerschau.

(London Weekly Review.)

Während meines Aufenthaltes in Constantinopel, vor einigen Jahren, war ich Zeuge einer Truppenmusterung, die der Sultan über die Janitscharen und seine Garden hielt. Das Feld, auf dem sie stattfand, war ein schönes Thal, in welches sich einzelne kleine Hügel in sanften Wellen niedersenkten. Zahllos war die Menge der Zuschauer. Die dichtgedrängte, fast unbewegliche Masse von turbanbedeckten Köpfen, mit Schawls von allen Farben umwunden, sah aus, als wenn der Prophet die Gläubigen zum Gericht gerufen hätte, so ernst und still war die ganze Versammlung.

Gegen Mittag erschien der Sultan, auf einem herrlichen arabischen Hengste, umgeben von einer Menge prachtvoll gekleideter Offiziere, Paschas, Capidgi-Baschis, Eunuchen etc. So schön die meisten dieser Männer waren, so war doch unter ihnen allen der Sultan weitaus der schönste, ja kaum hätte unter den Tausenden, die hier versammelt waren, Einer gefunden werden mögen, der ihm hierin hätte gleichgestellt werden können, ungeachtet die Türken im Durchschnitt alle schön sind. Er hat ganz die Form der griechischen Bildung, mit dem stolzen, ernsten Ausdruck des Türken: die edle gerade Nase, das volle, große, melancholische Auge, die feinen Lippen und das scharfe, festgeformte Kinn des Orients. In seinem geistvollen Gesichte lag eben so viel Besonnenheit als Entschlossenheit. Sein Haar konnte man nicht sehen, wegen der breiten Falten seines prachtvollen Turbans; sein Bart aber war vom tiefsten Schwarz. Außer seinem Turbane, an dessen Vorderseite eine Agraffe von Diamanten blitzte, war seine übrige Kleidung einfach, und bei weitem weniger glänzend als die von vielen seiner Offiziere. Er hatte keineswegs die, bei asiatischen Herrschern sonst als gewöhnlich angenommene Art, den Blick in stolzer Würde gerade vor sich hin zu richten, sondern kehrte die Augen bald rechts bald links, je nachdem ein Gegenstand oder eine Person in dem Haufen der Zuschauer seine Aufmerksamkeit oder seine Neugierde auf sich zog. Wir bildeten eine kleine Gruppe von Europäern, lauter Engländer; einen Moment fiel sein Blick auf uns, wendete sich aber schnell mit einem ganz eigenen Ausdruck von Stolz und Geringschätzung wieder ab, jedoch ohne daß darin Unwillen oder Haß sichtbar gewesen wäre. Hätte er den Schlag vorausgesehen, der einst von diesen Franken auf seine Flotte bei Navarino fallen würde, würde das dunkle Auge vielleicht mit wilderm Feuer auf uns niedergeleuchtet haben. Er ritt mit vieler Grazie, in langsamem Schritte, während eine Anzahl untergeordneter Offiziere, als Ordonnanzen, zu beiden Seiten hin- und wiedersprengten. Endlich stellte er sich auf; seine Leibgarde schloß sich dicht um ihn zusammen. Es war dieß die berühmte weiße Garde, von Kopf bis zu Fuß ganz weiß gekleidet, lauter hohe, schöne Gestalten, doch mehr schlank und fein, als fest gebaut. Ihre Shiluah[1], der weite faltige Mantel, die Tunica, der Turban und die Sandalen waren alle weiß wie Schnee, was diesem herrlichen Corps, das mit feierlichem Ernst seinen kaiserlichen Herrn umschlossen hielt, ein ganz eigenes, Ehrfurcht einflößendes Ansehen gab. Es war ein wolkenloser, sehr heißer Tag. In der Sonne blitzten die glänzenden Waffen, neben der reinen, fleckenlosen Weiße ihrer Uniformen. Jeder von ihnen schien wegen seiner Schönheit ausgewählt, während die stärkern, fleischigern Körper der, vielleicht auch im Kampfe kräftigern Delhis, mehr an die Indolenz und drückende Monotonie des orientalischen Lebens erinnerten. Des Sultan Mahmuds herrliche Gestalt, hoch zu Pferde, mitten unter jener glänzenden Schaar, mußte alle Blicke auf sich ziehen. Sie war ihm aufs treueste ergeben, theils wegen des hohen Soldes, theils wegen der vielen Zeichen von Gunst, die sie von ihm erhielt.

Sie sowohl als die rothe Garde nahmen an dem letzten Aufruhr keinen Antheil, sondern waren die Eifrigsten in Vernichtung ihrer empörten Waffenbrüder. Wie viele Tausende von diesen Janitscharen, die hier mit wildem, übermüthigen Blick vor uns vorübermarschirten, waren bestimmt, nach kurzer Zeit dem Tode geweiht zu werden! Wie wenige entrannen dem Schwert! Wurden sie vom Blutgerüste unmittelbar in die Gärten des Propheten versetzt, wo die vielen Sultane wandeln, die sie entthront und ermordet haben, die vielen[WS 1] Veziere, deren Kopf auf ihr Verlangen zu ihren Füßen rollte, und wo ihnen alle Schlachtopfer ihrer zahllosen Meutereien und Empörungen wieder entgegentraten – da mögen wohl die Huris aus den goldenen Hainen, von den rauschenden Bächen geflohen seyn, vor diesen wilden Gästen, die Streit und Aufruhr selbst in das Paradies der Liebe und Wollust brachten. –

Unfern der weißen Garde stand eine zweite Schaar, jener nicht viel nachstehend, nur etwas weniger glänzend gekleidet – die rothe Garde; aber auch in ihr erblickte

  1. Pluderhosen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: viele
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_303.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)