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Das Ausland. 1,2.1828

lähmten alle Pferde und Maulesel, die ihnen in den Weg kamen. Einige stachen mit den Speeren in die Zelte, andere standen an dem Ausgang derselben, um die Fliehenden zu empfangen. Der Schrecken war allgemein. Die Soldaten sprangen aus dem Schlaf auf, flohen halb nackt durch das Labyrinth von Zelten, stürzten über die Seile und trafen überall auf den Feind oder fürchteten wenigstens ihn zu treffen. Ordnung zu stiften war unmöglich. Auf andern Punkten waren unsere Leute auf den ersten Lärm zur Hand, aber trotz der Schnelligkeit, mit welcher sie sich in die Linie stellten, hatten die Feinde, während die nöthigen Vorbereitungen zum Angriff getroffen wurden, ihren Plan ausgeführt, und das Lager bereits wieder verlassen. Am Morgen fanden wir nicht mehr als zwei Mann von ihnen auf dem Platze.

Nach diesem Ueberfall waren wir mehr auf unserer Hut. Unser Lager wurde kunstgemäßer eingerichtet, und der Oberbefehlshaber, der bisher sich noch an der Küste aufgehalten hatte, vereinigte sich mit uns. Auch der Imam traf im Lager ein, und seine Zelte wurden neben denen der Stabsoffiziere aufgeschlagen. Sein Hofstaat war unbedeutender als wir erwartet hatten: in seiner Kleidung zeichnete er sich nur wenig von seinen Unterthanen aus, und in seiner Haltung zeigte sich weder die Würde noch das martialische Aussehen, welches seiner Nation in so hohem Grade eigenthümlich ist. Er empfängt seine Besuche ohne alles Ceremoniell, die Beine untergeschlagen, und von Zeit zu Zeit während des Gespräches eine Hand voll Reiß oder Datteln in den Mund steckend. Dem orientalischen Gebrauch gemäß, verdankt er seinen gegenwärtigen hohen Standpunkt der Ermordung seines Bruders. Indessen steht er in dem Ruf ein gutmüthiges Herz zu haben – eine liebenswürdige Eigenschaft, von der er uns bald nach seiner Ankunft im Lager einen augenscheinlichen Beweis gab, indem er sieben von seinen Unterthanen als des Spionirens verdächtig, ohne allen Prozeß zu gleicher Zeit aufknüpfen ließ.

Endlich kamen auch die vom Imam versprochenen Kameele zur Fortschaffung unseres Gepäckes an, und mit ihnen einige hundert Beduinen und Araber. Es war ein seltsamer Anblick. Ein gemischter Haufe von Kameelen, Pferden und Eseln, auf deren Rücken eine Art von Satteldecken befestigt war, trugen ihre Reiter mit einer unglaublichen Geschwindigkeit über die Ebene. Bald verschwanden sie vor unsern Blicken, bald kamen sie wieder mitten in den unter ihnen aufsteigenden Sandwolken zum Vorschein. Sie schwangen ihre Schwerter, schlugen damit an ihre Schilde, und erhoben ein lautes Freudengeschrei. Es muß ihrer Eitelkeit sehr geschmeichelt haben zu sehen, daß wir alle zu ihrem Empfange vor das Lager traten.

Diese sonderbaren Gäste nahmen die rechte Seite unseres Lagers ein, wo sie in der grenzenlosesten Unordnung ihre Zelt aufschlugen, und bald der Gegenstand unsrer gespanntesten Neugierde wurden. Wir sahen in geringer Entfernung mit Vergnügen die kräftigen, wilden Gestalten der Männer, welche entweder in kriegerischer Haltung auf und nieder giengen, oder der Länge nach in der Sonne lagen; die schlanken und reizenden Formen der Pferde in den mannigfaltigsten Stellungen: Die Kameele, entweder aufrecht stehend oder ihre plumpen Glieder der Ruhe überlassend, bewegungslos und geduldig von Morgen bis Abend; den unaufhörlichen und wechselnden Glanz der Waffen, und alle diese seltsamen und bizarren Erscheinungen und Bilder, die wir vorher nicht anders als aus Dichtern gekannt hatten. Erbaulich war die zwischen den zweifüßigen und vierfüßigen Geschöpfen obwaltende Eintracht und wechselseitige Zuneigung, mit welcher sie gleichsam als Glieder einer einzigen Familie aus demselben Troge Datteln verzehrten, und von demselben Wasser tranken.

Wir fanden die Beduinen-Araber bei weitem mehr zur Mittheilung, wenigstens durch Zeichen und Lachen, geneigt, als ihre übrigen Landsleute. Sie schienen an unsrer Unwissenheit Gefallen zu finden, zeigten von ihrer Seite aber wenig Neugierde. Sie erlaubten uns ihre Schwerter in die Hand zu nehmen, meistentheils furchtbare, doppelschneidige Waffen, welche ohne große Geschicklichkeit nicht geführt werden können; nur mit augenscheinlicher Verachtung blickten sie auf unsere Degen, die sie sogar anzufassen ablehnten. Sie nahmen bisweilen gegen einen oder den andern unserer Rothröcke eine Fechterstellung an, und freuten sich sehr, wenn es ihnen durch eine angenommene zornige Miene gelang, ihren Gegner in einige Furcht zu setzen. Wir machten uns gegenseitig Vergnügen, und der Unterschied zwischen dem in Gold und Scharlach gekleideten Europäer und dem wilden Krieger der Wüste sprang unzweifelbar zum großen Vortheil des letztern in die Augen. Wie überlegen zeigte sich der Araber schon in seiner bloßen äußern Erscheinung! Seine schlanke Gestalt, die musculösen wohlgebildeten Glieder, die blasse Gesichtsfarbe, die regelmäßigen und festen Züge, sein langes schwarzes Haar, und das schwarze Auge voll Feuer, in Verbindung mit seinem, man möchte sagen auf den Effect berechneten Unterkleid, dem Turban, und dem ärmellosen Obergewand, den Speer in seiner Hand, den Schild am Arme, den Dolch und das Schwert im Gürtel. Diese Gestalten überdieß auf ihren muthigen Rennern hatten etwas wahrhaft begeisterndes. Unmöglich kann man sich einen vollkommenern Gegensatz denken, als den zwischen dieser nackten und furchtbaren Simplicität und unserer manirirten Künstelei. Am schärfsten trat der Abstand des Abends hervor, wenn bei Sonnen-Untergang die Beduinen, in verschiedene Abtheilungen getheilt, hinausgingen um zu beten. Sie streuten eine Hand voll Sand auf das Haupt, als Zeichen der Erniedrigung, und neigten sich, mit den Händen das Gesicht bedeckend, zur Erde; dann richteten sie sich wieder auf, und murmelten mit dem Ausdruck der tiefsten Andacht ihre Gebete. Noch einige vorgeschriebene Stellungen und Kniebeugungen und die Ceremonie war zu Ende. – Noch ehe diese lebenden Gemälde für uns den Reiz der Neuheit verloren, befanden wir uns auf dem Marsch nach Ben-Bu-Ali.

(Schluß folgt.)
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_313.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)