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Das Ausland. 1,2.1828

erinnere mich noch eines alten, unter dem Portal sitzenden Weibes, welches bei jeder Ladung, die wir gaben, ihre Stelle verließ, und dann sich wieder niedersetzte. Ich fragte später nach dem Grunde dieses wahnsinnigen Benehmens, und erfuhr, daß alle ihre Kinder in dem Thurme gewesen seyen, und zwei ihrer Söhne tödliche Wunden empfangen hätten. Die arme Mutter wartete ängstlich auf den Augenblick, in welchem es ihr gestattet seyn würde in das Thor zu dringen. Endlich wehte als Zeichen der Uebergabe eine Fahne auf dem Thurme, an deren Stelle in kurzer Zeit die unsrige trat. Im Innern erwartete uns eine ergreifende Scene des Jammers. Ungefähr 150 Männer, Weiber und Kinder waren in einen kleinen Raum zusammengedrängt. Die meisten derselben waren schwer verwundet, einige lagen im Sterben, und das halbunterdrückte Aechzen, das laute Schreien der Kinder, die das Blut der Männer und Söhne mit ihren Kleidern stillenden Weiber, und das auf allen Seiten im herzzerschneidensten Tone der Resignation gemurmelte „Allah il Allah,“ war wahrhaft erschütternd. Unsere Wundärzte thaten alle mögliche diesen Unglücklichen Hülfe zu leisten.

Das merkwürdigste, was meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, waren die ungeheuern Vorräthe von Datteln, gedörrten Fischen und Caffee, welche ein Gemeingut des ganzen Stammes gewesen seyn müssen. Diese Thatsache lieferte den besten Beweis von der Ausdehnung des unter ihnen geschlossenen Bündnisses. Wir fanden nichts von Werth; unsere ganze Beute bestand aus Schwertern, Luntenschlössern, Mänteln, Speeren, Schilden u. s. w.

Am folgenden Tage waren wir begierig, das Schlachtfeld in Augenschein zu nehmen. Wir zählten gegen 500 Todte. Die meisten derselben waren Männer in der Blüthe der Jahre, von kräftigem und geschmeidigem Körperbau. Zwischen ihnen lagen ehrwürdige, patriarchalische Gestalten, schmächtige und glattwangige Knaben, und nicht wenig Weiber, die das Schicksal der Schlacht mit ihren Männern getheilt hatten. Einige fanden wir noch am Leben, aber rettungslos verloren. Wenn diese uns ansichtig wurden, schlossen sie die Augen, oder wenn sie uns eines Blickes würdigten, so war es ein Blick unbezwungener Rachlust. Sie nahmen von uns kein Wasser, ihren entsetzlichen Durst zu stillen, aber einem Araber schlugen sie es nicht ab, indem sie, sobald sie getrunken hatten, mit schwacher Stimme „Allah“ ausriefen. Bevor wir unsern Lagerplatz, auf welchem wir 10 Tage blieben, verließen, verbreitete sich der Geruch der Leichname in eine weite Ferne. Das Ekelhafte dieser Scene wurde noch vermehrt, wenn gegen Sonnenuntergang sich die Geier auf ihre Beute setzten. Mehr als einmal, wenn ich in der Nähe auf Posten stand, ergriff mich ein unwiderstehlicher Schauer, wenn ich durch die Stille des Abends ihren Flügelschlag über den Leichnamen oder ihre geschäftigen Schnäbel in Arbeit hörte.



Der Chirokee-Phönix.


Zu New-Echota, im Lande der Chirokesen, ward kürzlich folgender Plan zur Herausgabe eines wöchentlichen Journals, das den Titel Cherokee Phoenix führen wird, ausgegeben.

„Schon lange war es die Meinung verständiger Freunde der Civilisation der Eingebornen Amerikas, daß ein ausschließlich ihren Interessen gewidmetes, und unter ihrer Leitung erscheinendes Blatt, den schönen Zweck ihrer innern Veredlung sehr befördern würde. In Uebereinstimmung mit dieser Meinung haben die gesetzgebenden Behörden der Chirokesen sich entschlossen, die Unternehmung eines wöchentlichen Journals, das unter obigem Titel erscheinen soll, besonders zu begünstigen, wobei sie den Unterzeichneten (Elias Boudinott) beauftragten, die Herausgabe dieses Blatts zu übernehmen. Der Herausgeber schmeichelt sich hiebei keineswegs mit zu sanguinischen Hoffnungen; er ist sich wohlbewußt, daß er diese Arbeit auf einem bisher unbetretenen Boden unternimmt. Eben so wenig macht das Blatt Anspruch auf Gelehrsamkeit; sein einziger Zweck ist die Beförderung des Wohls der Chirokesen. Mit festem Schritte wird der Herausgeber dieses Ziel verfolgen. Weitere Gründe für die Unternehmung eines solches Blatts anzuführen wäre nutzlos. So manche redliche Freunde der Indianer in verschiedenen Theilen der Union werden mit Wohlgefallen diesen ersten schwachen Versuch betrachten, die Chirokesen, gleich dem Phönix der Fabel, aus ihrer Asche wieder zu erheben. Von solchen Freunden vorzüglich hängt die Existenz des Blattes ab.

Das unlängst von einem eingebornen Chirokesen aufgestellte Alphabet bietet ein treffliches Mittel der Belehrung für diejenigen Chirokesen dar, welche der englischen Sprache nicht kundig sind. Für diese letztere also haben wir uns chirokesische Typen machen lassen, so daß die Columnen des Blatts halb in chirokesischer, halb in englischer Sprache und Schrift erscheinen werden.

Den Hauptinhalt werden folgende Gegenstände bilden:

1) Die Gesetze und öffentliche Documente der Nation.
2) Berichte über die Sitten und Gebräuche der Chirokesen, ihre Fortschritte in Erziehung, Religion und den Künsten des gebildeten Lebens, nebst Bemerkungen über andere indianische Stämme.
3) Die Hauptneuigkeiten des Tages.
4) Solche Artikel, welche darauf berechnet sind, die Literatur, Civilisation und Religion unter den Chirokesen zu befördern.

Die Freunde der Indianer, die schon so häufig ihren christlichen Eifer für unsre Wohlfahrt und unser Glück an den Tag gelegt haben, werden auch bei dieser Gelegenheit, wir wünschen und erbitten es, ihre helfende Hand uns entgegen reichen.“

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_318.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)