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Das Ausland. 1,2.1828

Hindus zu einer Periode betrachtet werden kann, über die wir nur sehr unvollkommene Nachrichten besitzen. Weder erhabene Grundsätze, noch tiefe Reflexion zeichnen dieß reizende Bild aus, dagegen bezaubern uns Züge der reinsten Zärtlichkeit, Milde und Eleganz, die wir in den Harems der übrigen orientalischen Nationen vergebens suchen würden.

(Schluß folgt.)


Uebersicht der neuesten italienischen Literatur.

In Briefen von einem italienischen Gelehrten.

Zweiter Brief.

Geschichte, die Grundlage jedes geregelten Studiums, wird jetzt mit großem Eifer in Italien getrieben. Wir wollen hier, der Kürze wegen, nicht von den vielen Partikular-Geschichten reden, die täglich in den verschiedenen Städten der Halbinsel gedruckt werden, sondern nur drei große Sammlungen historischer Werke erwähnen, die in Mailand herauskommen. Zuerst unternahm der Buchhändler Louzagna eine „Sammlung von Uebersetzungen der griechischen Geschichtschreiber,“ von den gründlichsten Kennern der griechischen Sprache verfaßt. Dieses treffliche Unternehmen ist schon sehr vorgerückt. Einige Jahre darauf unternahm ein anderer Buchhändler in Mailand, Niccolo Bettoni, eine „historische Bibliothek aller Zeiten und Völker,“ die 100 Bände umfassen sollte. Diese Bändezahl war für einen solchen Umfang der Aufgabe an und für sich zu klein; was sich jetzt am deutlichsten zeigt, wo nur noch 18 Bände zu liefern sind, ungeachtet man noch eine Menge hieher gehöriger Historiker vermißt. Doch ist nicht zu läugnen, daß diese Arbeit, die in Italien außerordentliche Theilnahme fand, viel zur Verbreitung geschichtlicher Kenntnisse und zur Vermehrung der Liebe zu diesen Studien beitrug.

Alle in diesen beiden Sammlungen enthaltenen Arbeiten waren nur Abdrücke, oder höchstens neue Uebersetzungen alter Werke. Der Buchhändler Antonio Fortunato Stella aber hat sich zu einem schwierigeren Unternehmen gerüstet, indem er nach der Herausgabe einer Uebersetzung der Universal-Geschichte des Grafen Segur, vielen italienischen Gelehrten eine Original-Fortsetzung derselben auftrug. Bertolotti, Soncini, Levati, Compagnoni nahmen an der Ausführung Theil nebst mehreren Andern, die sich unter dem Schleier der Anonymität aber augenscheinlicher Pseudonymität verbargen. Mehrere von diesen Original-Werken sind jedoch so erbärmlich, daß sie uns Italiens und des jetzigen Standpuncts der Kultur unwürdig scheinen; andere sind im Grunde nur Uebersetzungen aus verschiedenen fremden Schriftstellern. Wir können daher durchaus kein günstiges Urtheil über diese Fortsetzung aussprechen: ja wenn man die übrige Nation nach dem Maßstabe der Unkenntniß wahrer Geschichte bei denen beurtheilen wollte, die sich anmaßen, den Ton darin angeben zu wollen, so würde das Urtheil sehr hart ausfallen müssen. Aber einem Lande, das einen Macchiavelli, Paruta, Guicciardini, Davila, Bentivoglio, Giannone, Muratori hervorbrachte, kann es nie gänzlich an Geschichtschreibern von Bedeutung fehlen, und mit Recht rühmt sich das heutige Italien des Namens Carlo Botta, der zuerst mit der „Geschichte des amerikanischen Freiheits-Krieges,“ dann mit der „Geschichte Italiens in den neuesten Zeiten,“ auftrat. Botta ist einer der reinsten Schriftsteller unserer Zeit, und Manche werfen ihm nicht ohne Grund vor, daß er mit zu ängstlicher Sorgfalt um den Stil bemüht ist, und zuweilen zu sehr nach veralteten Redensarten hascht. Aber er besitzt eine so tiefe Kenntniß der Zeiten und der Menschen, es ist eine solche Fülle der Beredsamkeit in den vorkommenden Reden, eine solche Klarheit in den Beschreibungen, ein so rascher Fortgang in seinen Erzählungen, daß die ganze Nation seine Werke liest, und wieder liest, und sie allenthalben abgedruckt werden. Botta lebt in Paris, aber er ist einer der eifrigsten Pfleger seiner Muttersprache. Ihm zunächst steht Luigi Bossi der zuerst das schwierige Werk einer allgemeinen Geschichte von Italien unternommen hat. Muratori hatte in seinen Annalen die Materialien dazu von den Zeiten des August an bis auf das Jahr 1750 gesammelt und geordnet. Micali hatte neuerdings schon die Geschichte der ersten Bewohner Italiens mit großer Ausführlichkeit behandelt. Algarotti hatte bereits vor Levesque und Niebuhr den richtigen Gesichtspunct für die älteste römische Geschichte angegeben; Verri, Novelli und Andere hatten bei der Abfassung der Geschichte einzelner Städte Italiens viel von dem Dunkel, in das sie gehüllt war, erhellt. Ungeachtet aller dieser Vorarbeiten aber wird jeder, der die wechselnden Schicksale, denen Italien unterworfen, die unermeßliche Zahl der einzelnen Staaten, in die es getheilt war, die fortwährenden offenen und geheimen Fehden, die sie unter sich führten – kurz, das fortwährende Unglück dieses schönen Landes kennt, leicht fühlen, welcher Last sich Bossi unterzog. Seine Geschichte besteht aus 19 starken Octav-Bänden; sie beginnt mit der Urgeschichte Italiens, und geht fort bis auf unsere Zeit. Bossi ist im Punct des Stils das gerade Gegentheil des Botta; er vernachläßigt nicht nur den Schmuck, sondern manchmal auch die Reinheit und Klarheit der Sprache. Er behandelt übrigens die Geschichte wie einer, der sie vollkommen beherrscht: die Begebenheiten sind alle bis auf die kleinsten Umstände dargestellt, und die Nation wird in allen ihren politischen und literarischen Fortschritten verfolgt. Doch muß man gestehen, daß Bossi die Kunst nicht verstanden hat, sein Buch angenehm zu machen, denn abgesehen von der in der That allzugroßen Vernachläßigung des Stils, fehlt auch dem Gedächtniß des Lesers die Hülfe einer gehörigen Chronologie und einer genauen Eintheilung der Zeiten und Begebenheiten. Wir müssen daher sagen, daß Italien durch Bossi’s Bemühungen zwar eine dem Inhalt nach umfassende Geschichte besitzt,

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_329.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)