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Das Ausland. 1,2.1828

wie in Frankreich und England; ein Familienvertrauter braucht deshalb nicht immer der Liebhaber der Frau vom Hause zu seyn. Man ist in Italien mehr müßig als anderwärts; man hat wenig Vergnügungen und wenig Geschäfte; und selbst in den niederen Ständen arbeitet man weniger, als in andern Ländern. Man hat daher mehr Zeit für die Aufmerksamkeiten und Gefälligkeiten, welche Damen verlangen; und eine solche Verbindung hat ihre Annehmlichkeiten, ohne daß sie mit Unsittlichkeiten oder Ausschweifungen verknüpft zu seyn braucht.“



Auszüge aus dem Berichte des Schiffers Turner von seinem Besuche auf den Sandwichs-Inseln.


(Schluß.)

Ahnenstolz herrscht auf den Inseln in einem so hohen Grade, wie bei den ältesten Monarchien Europa’s, und die Nachkömmlinge der alten Könige von Owaihi sind so eitel auf ihre Herkunft, als wären sie Sprößlinge der hohen Häuser Este oder Habsburg.

Der Adel besteht aus drei Classen; die erste Classe umfaßt die königliche Familie und deren nächste Anverwandte; die zweite begreift die Verwalter der erblichen Aemter und die Befehlshaber auf den übrigen Inseln; denn alle Sandwichs-Inseln stehen jetzt unter Woahu; die dritte Classe besteht aus den Regenten der Districte und aus den Oberhäuptern untern Rangs. Diese Classe ist nicht zahlreich und wenig geachtet; die zwei ersten Classen nennt man die hohen Chefs; ihre Zahl ist nur geringe, sie sind durch Blutsverwandtschaft und Heirath aufs engste verbunden und bilden eigentlich nur eine einzige Familie. Alle übrigen Sandwichs-Insulaner sind Leibeigene, müssen für die Häuptlinge arbeiten, besitzen eigentlich gar kein Eigenthum, haben nicht das Vorrecht, europäische Kleidungsstücke zu tragen und sich zu berauschen; trifft dieß dennoch ein, so erhalten sie tüchtige Schläge, womit überhaupt der Adel gegen das gemeine Volk sehr freigebig ist. Uebrigens ist dieses Adelssystem noch unendlich höflicher, als die ehemalige Courtoisie Frankreichs. Das Salische Gesetz steht tief unter der Lehnsordnung der Sandwichs-Inseln; denn der Rang ist nicht in männlicher, sondern in weiblicher Linie erblich. Die edlen Frauen von Woahu müssen dem Himmel danken, daß sie auf den Inseln der Südsee und nicht in den Burgen der alten Welt geboren sind. Diese Damen von hohem Adel haben den Vorzug ihrer Geburt vornämlich durch Wohlbeleibtheit und Feistigkeit zu erhärten. Die Befehlshaberin von Atooi (Tauai), die Schwester des Taumaurai wiegt an vierhundert Pfund; Namahaua, eine der Gemahlinnen des Tameha-meha, Großvaters des jetzigen Königs, wiegt 290 Pfund; ihre Schwestern Kaahumanu und Kalakua fast eben so viel; ihr Bruder Kuakini, Befehlshaber von Oaihi, kaum 25 Jahre alt, 325 Pfund. – Um zu solcher stattlichen Feistigkeit anzuschwellen, mästen sich diese vornehmen Herrschaften von frühster Jugend namentlich mit Poe, einem Brei von der höchst nahrhaften Taro-Wurzel, welche das Hauptnahrungsmittel der Insulaner bildet. Uebrigens wissen die Damen nichts von Sorgen, Liebeswehen und Sentimentalität, wovon sie abmagern könnten, und auch bei ihnen gehört es zum guten Ton, täglich so viel starke Weine und Rum zu sich zu nehmen, daß sie aufs furchtbarste berauscht hinsinken. Statt daß sich die nordamerikanischen und europäischen Damen zuweilen noch Schooshündchen und Schooskätzchen erziehen, haben die vornehmen Sandwichs-Insulanerinnen noch immer eine entschiedene Vorliebe für – Schweine, nicht für Spanferkel, nein für erwachsene Eber und Säue. Diese Lieblingsschweine genießen am Hofe so großer Vorrechte, wie in manchen europäischen Palästen die Jagdhunde. Turner fand im Palaste zu Woahu ein Schwein dieser Art, etwa 400–500 Pfund schwer, nach der verwittweten Königin Kaahumanu genannt, welches ungehindert durch alle Thüren brach und allenthalben herum schnuffelte; nicht selten bettete es den gewaltigen Leib auf dem Sammt und Seidenzeuge des königlichen Lagers. Eine Katze darf, nach dem Sprichwort, wohl einen König ansehen, aber daß ein Schwein ein königliches Lager besudeln darf, ist doch das Non plus ultra des Radicalismus.

Die Namen der Vornehmen sind oft von sehr poetischer Bedeutung. Keo-pulani bedeutet: Anhäufung der Himmelswolken; Tameha-meha, der Einzige; Tameha-maru – ein Name, den die Königin nach dem Tode ihres Vaters annahm – Schatten des Einzigen; Kuahumahu heißt der Feder-Mantel; Kalakua: der Weg der Götter; Kapiolani: die Gefangene des Himmels; Lea lea hoku: das Halsband aus Sternen.

Als ein Beweis, wie beliebt die amerikanischen Missionäre auf den Sandwichs-Inseln sind, mag folgender Brief der obenerwähnten Königin Kuahumahu, auf Atooi dienen.

Kairua, den 15. November 1826.

Liebe für Euch, Hr. Loomis, so wie für Frau Loomis, Hrn. Chamberlain, Hrn. und Frau Ruggler. Ich habe Neigung für Euch, Hr. Loomis, weil Ihr mich gefragt habt, was Eure (der Missionäre) Fehler sind. Das ist gut. Ich sage Euch jetzt die Wahrheit. Ich weiß nicht, was Eure Fehler sind. Eins weiß ich von Euch, das Wort Gottes, welches Ihr mir gesagt habt – mein Herz erkennt: es ist gut Ding. Ich betrachte es jetzt – da bin ich – ich werde nicht zurückkehren – da bin ich für immer. Ich weiß keinen Fehler von Euch, dessen ich erwähnen könnte; auch nicht von Herrn Bingsham, oder Herrn Bishop, oder Herrn Thurston, oder Herrn Whitney, oder Herrn Ely – ich weiß von Euch allen nicht den geringsten Fehler. Es sind Eure Landsleute, die machen Verwirrung, Leute aus Amerika und England, und wir werden auch von ihnen getadelt. Aber wir werden doch nicht abfallen – das Volk folgt sehr Jesu Christo nach. Es ist nicht unsertwegen (der Häuptlinge und Missionäre wegen), daß dessen (des Volkes) Hass erregt ist. Das ist meine Meinung. Ich sage Euch, Herr Loomis, grüßt den Präsidenten der Vereinigten Staaten von mir und auch alle Missionäre und alle Freunde. unser aller Liebe ist dort. – Sagt ihnen allen, wie mein Herz geleitet ist auf die wundervollen Werke Jehovah’s. Unsere Herzen sind durch den Geist Gottes dahin geleitet. So sind wir alle. Wir und alle unsere Freunde werden nicht abfallen. Das Uebel kommt über uns alle, aber wir werden uns nicht durch dessen Versuchung in die Schlinge ziehen lassen. Das wäre gewiß schlecht. Wir sind unser sicher. Von Elisabeth Kuahumahu, Schwester von Euch allen. Wir sind alle Diener Jesu Christi.

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_350.jpg&oldid=- (Version vom 22.2.2023)