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Das Ausland. 1,2.1828

des Daseyns annahm, befreundete er sich mit der ganzen Natur, deren Leiden und Freuden er theilte. Mitten unter diesen Wandelbarkeiten seiner äußern, vom Strome des Werdens fortgerissenen Erscheinung bleibt sein Charakter – eine Seele voll Reinheit, ein Herz voll Liebe, ein Geist voll Weisheit – unverändert. Jede Jataka enthält die ausführliche Nachricht über eine seiner Offenbarungen unter den verschiedenen Classen der Wesen durch Besuch oder Geburt und über seinen Verkehr mit ihnen; sodann eine bündige Nachweisung jener drei Grundzüge seines Charakters, eine Beleuchtung desselben durch moralische Betrachtungen, Parabeln, Erzählungen oder Gespräche, und schließt mit der Aussicht auf die Nirwana, den Lohn des Glaubens und des Gehorsams.

Das Buch ist ursprünglich im Pali geschrieben, und erst später in das Singalesische übersetzt worden. Die Londoner Handschrift enthält 1172 Blätter oder 2344 Seiten. Ein singalesischer Abschreiber könnte im Durchschnitt täglich vier Seiten abschreiben und würde also 586 Tage brauchen.

Einige von diesen Offenbarungen sind besonders charakteristisch und werden von den Buddhisten selbst als Fundamentalsätze ihres Glaubens ausgezeichnet. Um so erwartungsvoller sehen wir daher der nahe bevorstehenden Herausgabe eines Werks entgegen, welches die vier interessantesten Jatakas mit einer Anzahl bildlicher Darstellungen aus dem Gebiet der Religion und der Sitten der Buddhisten auf Seilan, sowie Nachrichten über ihre Thierkreis- und Planetensysteme, ihre Astrologie, ihre Vorstellungen von Teufel, Hölle und Höllenstrafen enthalten soll. Bereits sind die Materialien von Hrn. Upham aus den Bana (Reden des Buddhu) gesammelt; die Bilder (mehr als vierzig) sollen nach den Originalien, welche Sir Alexander Johnston aus den Händen der buddhistischen Priester erhalten hat, lithographirt und illuminirt werden.


Ueber den Gang der innern Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.


(Fortsetzung.)

Die erste Pflicht des neuen Pflanzers ist, in der Jury zu sitzen: denn die ersten Gerichts-Sitzungen beginnen, und der Sheriff ist gekommen ihn zu laden, und bei ihm zu speisen. Auch ein Richter ist angelangt, gewöhnlich ein Mann von Verdienst, manchmal jedoch der Auswurf anderer Tribunale. Es existirt noch kein court-house. Der Richter erwählt anstatt dessen das große Zimmer eines Gasthauses, oder einen geräumigen Speicher. Ich habe Gerichts-Sitzungen in einem Magazine halten sehen, wo Bretter, über Mehlfässer gebreitet, die Sitze des Richterpersonals bildeten. Eine Gerichtswoche ist zugleich eine Gelegenheit zum Verkehr und zum Erwerb für die Gastwirthe. Das Volk läuft von 50 (engl.) Meilen weit in der Runde in Masse zusammen, theils in Geschäften, theils aus Neugierde. Die Epoche dieser Vereinigung wird von Allen benützt, die vom Publikum leben wollen. Der Eine bietet seinen Neger feil; der Andere bestrebt sich die Anmuth seines Springhengstes im vortheilhaftesten Lichte zu zeigen, um ihm Praxis zu verschaffen. Die Advokaten suchen Klienten, die Aerzte Patienten. – Der Sheriff eröffnet die Sitzung: alles wird stille. Auf zwei Bänken sitzen 24 freie Männer, Familien-Häupter, Hausbesitzer, welche die große Jury bilden. Eine sonderbare Versammlung! Von dem mit ledernem Hemde und ledernen Beinkleidern bekleideten Jäger, dessen Bart seit einem Monat keine Scheermesser berührt hat, von dem Squatter im Strohhute und mit Stoffen angethan, die seine Frau verfertigt hat, von dem Kleinhändler an, mit aller übertriebenen Höflichkeit seines Geschäfts, bis zum reichen neu angekommenen Pflanzer sind alle Stände, alle Gewerbe hier unter einander gemischt. Sobald es still geworden ist, beginnen die Advocaten ihre Verhandlungen. Der Richter hält seine Rede (charge) mit so viel Würde, als wenn er in Westminster säße, und an den Aussprüchen der Jury bemerkt man nichts von der scheinbaren Abnormität des Ganzen. Am Abend vertagt sich die Sitzung auf den folgenden Tag, wo dann dasselbe Schauspiel wiederholt wird. Zu dem allem muß man noch die Anreden hinzudenken, welche die beiderseitigen Advokaten in den Gasthäusern an’s Volk über die Gerechtigkeit ihrer Sache halten, und ähnliche Scenen.

Die Zeit der Gerichts-Sitzungen ist auch der Moment, wo die Kandidaten für die Würde eines Abgeordneten sich um die Gunst des Volks bewerben. Sie und ihre Freunde sind bemüht, durch alle Mittel der Ueberredung, manchmal auch durch Täuschungen, die Stimmen der Menge zu gewinnen. Geschichten über die Kandidaten werden fortwährend verbreitet und widerlegt. Jeder haranguirt das Volk oder läßt es durch seine Freunde thun. Daraus entwickeln sich Streitigkeiten, die gewöhnlich in Schlägereien ausarten, besonders Abends, wo die Mäßigkeit gerade nicht an der Tages-Ordnung ist; denn jeder Kandidat bewirthet seine Freunde.

Auf dem Lande muß man eine Wahl sehen. Schon seit mehreren Monaten sind die Kandidaten und ihre Freunde in Bewegung, machen die Runde von Wohnung zu Wohnung, suchen zu überreden, zu erklären, zu beweisen u. s. w. Gewöhnlich geben sich die Freunde noch mehr Mühe, als die Kandidaten selbst. Der Gouverneur hat durch eine Bekanntmachung den Tag angesetzt, das Land in Sectionen getheilt, in jeder derselben ein Central-Haus bestimmt, und drei Richter für die Wahlen ernannt. Diese drei Würdeträger eines Tages versammeln sich früh Morgens, und leisten einen Eid auf die Bibel, ihr Amt unparteiisch zu verwalten u. s. w. Sie setzen sich rings um einen Tisch neben ein Fenster. Eine alte Cigarrenschachtel mit einem

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_352.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)