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Das Ausland. 1,2.1828

und Supercargo höflich und bescheiden sind. – Solche Freibeuter, gewöhnlich unter englischer oder nordamerikanischer Flagge, wissen zu imponiren und machen sich selbst die Gesetze. Mit Schiffen und Menschen dieser Art wird ein großer Theil der Geschäfte von Trinidad und den Orinoko-Gegenden gemacht; wenigstens wissen sie den Zollabgaben zu entgehen. Deutsche Schiffer, an Zucht und Ordnung gewöhnt, durch Assecurateure, Rheder und Verlader beschränkt, können mit solchen Wagehälsen nicht gleichen Schritt halten. Die meisten Nordamerikaner, Franzosen, Britten und selbst auch Hanseaten haben indeß doch so viel gelernt, daß sie auf freundschaftliche Weise mit den Zollbeamten in den mexikanischen und westindischen Häfen umzugehen und einen Theil der Zollabgaben höflichst zu beseitigen wissen. Wer diese Kunst nicht versteht, sollte gar nicht nach Amerika handeln. Vornämlich wird sie in Colombia, Brasilien, Chili, Peru und überhaupt an der Westküste geübt. In Rio de Janeiro ist man unter den Augen des Kaisers noch am strengsten; doch soll es sogar Mittel geben, unmittelbar mit Sr. Majestät Privatcontracte abzuschließen, unter der Bedingung, daß man das zu zahlende Quantum in höchst eigne Hände bringt. Die brasilianischen Beamten lassen auch mit sich reden; je weiter von der Hauptstadt, desto leutseliger sind sie und finden es weit vortheilhafter, daß sie selbst die Zollabgaben nach einer billigen Berechnung beziehen, als daß sie sie dem kaiserlichen Schatze zuwenden. So bringt z. B. der Zoll der wichtigen Handelsstadt Bahia dem Kaiserschatz blutwenig ein; an Brasiliens Nordküste geht es zu, wie etwa in der Türkei oder in Egypten. So wie ein Schiff irgend wo in einem Hafen, Parahyba do Norte, Natal, Aracaty, Ceara, Parnaiba do Norte, Maranham oder Para anlangt, schließt man jetzt einen Vertrag mit dem Governador oder Commandanten; versteht der Capitän oder der Supercargo sein Handwerk, so erklärt er dem Brasilianer, er werde sogleich wieder absegeln, wenn er sich nicht billig finden lasse. Die brittische und nordamerikanische Flaggen sind dort diejenigen, welche am meisten Achtung einflößen; allenfalls auch die französische; die portugiesische wird nie wieder beliebt werden, wie neuerdings von Porto aus veranstaltete Expeditionen erwiesen haben; die deutsche Flagge wird dort, trotz des mit dem Kaiser abgeschlossenen Handelsvertrages, schwerlich gute Aufnahme finden. In Nord-Brasilien, wie in den meisten südamerikanischen Häfen spielen überhaupt Britten und Nord-Amerikaner das Prävenire; sie verjagen die andern Nationen nicht, machen ihnen aber Verkauf und Einkauf so schwer, daß der neue Ankömmling bald den Platz verwünscht. Vornämlich ist dies der Fall, wenn der Supercargo kein Valiente, sondern ein Schaf ist und sich auf gewöhnliche Weise Empfehlung an dort existirende Handelshäuser geben läßt. Dann tönt ihm sogleich die Wehklage entgegen, es gebe dort gar nichts zu kaufen und zu verkaufen. Auf sich selbst steht der Mann. An die Eingebornen, gleichviel von welcher Farbe, muß sich, wer in Süd-Amerika Handel treiben will, keck anschließen und seinem Gott danken, wenn er gar keinen Europäer trifft; für den Deutschen sind die Landsleute die gefährlichsten, denn leider ist dort kein Deutscher dem andern treu. Britten, Franzosen, Nord-Amerikaner halten zusammen, und das hebt sie über uns. Auch ist jedem, der dort gute Geschäfte machen will, Fertigkeit in der Landessprache höchst nothwendig. Selbst auf die Bigotterei des Volks läßt sich mit Grund eine gute Speculation bauen. Eine, welche wirklich Erwähnung verdient, ward vor wenigen Jahren von einem Deutschen in einem brasilianischen Hafen, südlich von Cap St. Roque, ausgeführt. Er war in Bahia gewarnt, diesen Hafen nicht zu besuchen, weil dort gar keine Geschäfte zu machen wären. Dennoch segelte er getrost dahin ab. Sein Schiff führte französische Flagge. So wie er in den stark befestigten Fluß einlief, fragten Zollbeamte, verwundert über die vorher nie erblickten Lilien, was denn das für ein Schiff sey? da antwortete der Supercargo in gutem portugiesisch: darauf hätte er Männern ihrer Art nichts weiter zu antworten, als daß das Schiff direct aus Rom von Sr. Heiligkeit dem Pabste abgeschickt sey, um dem Bischofe, von dessen Frömmigkeit und heilgem Wandel der heilige Vater viel Gutes vernommen, unschätzbare Reliquien und Heiligthümer zu überbringen. Erstaunt fuhren die Zollbeamten wieder ab. Eilends kam der Bischof mit einem Gefolge von Geistlichen selbst an Bord; nun überreichte diesem der gewandte Mercator mit schuldiger Ehrerbietung, ein saubres Kästchen, mit Sammt beschlagen. Darin befanden sich einige Todtenknochen, (am Strande der Insel Fernando Noronho gesammelt) mit einem lateinischen Revers, dies seyen die ächten Knochen des heil. Gloriosus und der St. Gertrudis, einer gebornen Hamburgerin; ferner wurden eine Menge Nürnberger-Heiligenbilder in Rahmen und Glas, sämmtlich von heiliger Hand geweiht, vorgezeigt. Der Bischof war über diese Schätze höchst erfreut, ertheilte dem Ueberbringer seinen Segen, nahm ihn in seinen Palast, bewirthete ihn aufs köstlichste und verschaffte ihm jedweden Genuß. – – Die Bilder gingen reißend ab, das Stück für 10–20 Piaster. Die Reliquien veranlaßten eine Procession und eine dreitägige Kirchenfeier. Die Ladung des Schiffs ward ganz freigegeben; eiserne Quincallerie und andere Waaren wurden mit bedeutendem Gewinn abgesetzt; denn jeder wollte etwas aus dem heiligen Schiffe (náo sagrada) besitzen; es hatte zufällig eine Partie farbiges Glanz-Leinen geladen; darin kleidete sich nun die ganze Bevölkerung, so daß schon am nächsten Sonntage jeder Neger und Mulatte im blanken Hemde erschien. Der Supercargo erhielt die Erlaubniß, sich, was dort jedem bei der härtesten Strafe verboten ist, kostbares Rotholz fällen zu lassen, welches er selbst in einer nahen Bucht entdeckt hatte. Unter dem Jubel der Einwohner segelte er mit einer reichen Ladung von dannen; die ganze Speculation brachte einen Gewinn wenigstens von 200 Pct. Männer dieser Art werden, wenn auch gar keine Verträge existiren, in der Regel in Amerika gute Geschäfte machen, aber auf ordentlichem, gewöhnlichem Wege ist wenig oder nichts auszurichten, und je tiefer jene Freibeuter und mit ihnen unternehmende Nord-Amerikaner, Britten und Franzosen

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_369.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2021)