Seite:Das Ausland (1828) 386.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Brougham und einige andere der elenden Whigs haben einen leichten Versuch gemacht, Unruhe zu erregen durch den Gedanken, was Sie – mit aller Ihrer gegenwärtigen Gewalt – im Stande wären mit der Armee zu unternehmen. Wenn Sie dazu geneigt wären und Ihren Willen ausführen wollten, welchen Widerstand, möchte ich wissen, würden wohl Broughams Schulmeister[1] Ihnen entgegensetzen? Aber werfen wir dieses kindische Zeug bei Seite, wozu sollten Sie sich doch der Armee bedienen wollen? die Armee kann Ihnen kein Geld machen, auch können Sie kein Geld aus den Taschen des Volkes nehmen, wenn keines in seinen Taschen ist; und wenn wirklich noch etwas in den Taschen ist, so können die Steuerbeamten es eben so rein und ruhig herausholen, als die Soldaten; und die Armee von Beamten, welche wahrscheinlich mehr Löhnung erhalten, als die Soldaten und Ihre Regimentsoffiziere, wenn wir sie alle zusammen nehmen, sind viel geschickter in diesem Handwerk, als die Soldaten je werden würden. O nein, Sie wissen es besser, daß man keinen Trumpf ausspielen muß, wenn man den Stich durch schlechtere Karten machen kann! Der Steuerbeamte weiß sehr gut, daß der Soldat ihm zur Hand, daß er ihm dicht in der Nähe ist, und daß wenn keine Ladung in seinem Gewehr ist, bald eine darin seyn kann; alles dieß weiß der Steuerforderer vortrefflich und der Steuerzahler weiß es eben so gut. Was bedürfte man also wohl noch mehr? Welche Gefahr kann daraus hervorgehen, daß Sie Minister sind, die größer wäre, als wenn irgend ein anderer dieß Amt bekleidete? Der Marquis von Lansdown scheint gleichfalls sehr besorgt zu seyn, „aus constitutionellen Gründen,“ daß das Obercommando völlig aus Ihren Händen genommen werde, und er beschwört Sie, ja zart mit der „Constitution“ umzugehen. Es wäre wirklich zu verwundern, wenn der Marquis nicht wissen sollte, daß diese Art von Geschwätz heut zu Tage so gut als weggeworfen ist, außer etwa bei jenen alten Leuten, die in ihre zweite Kindheit getreten sind. Von „Constitution“ zu schwatzen bei Steuern zum Belauf von 60,000,000 Pf. St. des Jahrs und bei einem Gesetz, das jeden auf Lebenszeit verbannt, der ein Wort äußert, welches die Tendenz hätte, unsere „Repräsentanten“ in Verachtung zu bringen, kann im besten Falle nur Gelächter erregen – und würde dieß thun, wenn die Verbannung uns nicht etwas zu nahe vor Augen gestellt wäre.

O nein, Furcht dieser Art läßt uns unbeschwert. Wir wissen wohl, daß, wenn Sie offen das Commando behalten hätten, wir eben so gut daran wären, als wir es jetzt seyn werden. Die bloße Existenz einer solchen Armee gibt unserer Lage einen entschiedenen Charakter und sie kann nichts mehr thun, unser Loos schlimmer zu machen, es sey denn, daß sie uns noch ein wenig mehr von unserem Geld nehme, vorausgesetzt nämlich, daß dieß möglich wäre. Wir haben daher von Ihnen keine andere Gefahr, als von irgend einem andern Mann auf Ihrem Posten. Sie haben mit Etwas zu thun, das Soldaten weder aufrecht halten, noch stürzen können. Sie haben ein System des Borgens und Interessen-Zahlens zu tragen; sie haben einen halben Thaler zu zahlen, und nur sechs Pfennige, mit denen Sie zahlen können; Sie haben es auf Ihre Schultern genommen, eine kleine Corporation von Gläubigern zu befriedigen, wie sie nie zuvor auf Erden gesehen worden ist. Wer nur den geringsten gesunden Menschenverstand hat, kann nicht bezweifeln, daß die Uebel, die sich so lange auf uns gehäuft haben, endlich zu einer großen Convulsion führen müssen. Und, merken Sie wohl, Soldaten können dieß nicht verhüten. Nehmen wir an, daß der Eintausch,[2] den Hr. Huskisson vor zwei Jahren befürchtete, wirklich eingetreten wäre, würde eine Armee im Stande gewesen seyn, eine allgemeine Plünderung zu verhüten? O nein, unsere gegenwärtigen Uebel sind nicht von der Art, daß man ihnen Bataillone entgegen schicken könnte. Im allgemeinen sind alle unsere alten Begriffe von Freiheit und Recht völlig dahin. In kleinen Abstufungen sind wir allmälig so weit gebracht worden, in England Kasernen zu sehen und Garnisonen und fremde Truppen, ohne Schaam und ohne die geringste schmerzliche Bewegung zu empfinden. Vor vierzig Jahren würde die bloße Idee eines Oberbefehlshabers der Armee in England einen allgemeinen Schrecken erregt haben. Gegenwärtig scheint eine solche Personage nicht nur als erlaubt, sondern sogar als unumgänglich nothwenig betrachtet zu werden. Wenn dem Vater eines unserer ältern Pairs gesagt worden wären, daß die Zeit käme, wo seine Güter eben so schwer mit dem Halbsold der Armee oder Marine belastet seyn würden, als mit der Armenunterstützung, was würde er darauf geantwortet haben? Wenn man ihm gesagt hätte, daß ein einziger Krieg, – abgesehen von der Nationalschuld – seine Güter in Steuern zu dem Belauf von wenigstens dem sechsten Theil ihres Ertrages verwickeln würde, so hätte er den Propheten verlacht. Und doch ist dieß jetzt der Fall und dazu ohne ein hörbares Murren zu veranlassen. Das Volk hat lange alle Hoffnung auf Hülfe aufgegeben, außer der durch das Uebermaaß des Uebels. In den mittleren Ständen herrscht allgemein die Ueberzeugung, daß keine Anstrengung sie in den Stand setzen könne, ihre Lage zu verbessern, während unter den schwer arbeitenden Classen eine eben so allgemeine Sorglosigkeit sichtbar ist, die sie um alles unbekümmert läßt, außer den Mitteln, von einem Tage zum andern ihr Leben zufristen, und dieß ist das Schauspiel, welches ein Volk darbietet, das einst in Bezug auf seine Freiheiten und Nationalehre das eifersüchtigste der Welt war. – –

Dieß ist die Lage von England zu der Zeit, wo Sie sich freiwillig an die Spitze der Staatsangelegenheiten stellen; Sie haben sich ein neues Piedestal für Ihre Statue gewählt; Sie suchen einen doppelten Ruhm; aber vergessen Sie nicht, daß Sie jetzt diesen doppelten Ruhm erhalten, oder – keinen.

  1. Ein Lieblingsthema des berühmten Parlamentsredners B. ist die Verbreitung der Aufklärung durch Verbesserung der Volkserziehung.
  2. Des baaren Geldes gegen Papiergeld.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_386.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)