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Das Ausland. 1,2.1828

Dieser wird, gleich dem Patriarchen von Jerusalem, von der Pforte ernannt, die ihn aus der Zahl ihrer Creaturen wählt. Bei jeder Ernennung erhält die Pforte ein reiches Geschenk von dem Neugewählten, welcher der verantwortliche Agent für die Ausführung der Firmans und die Erhebung der Kopfsteuer wird. Auch stehen diese Patriarchen durchaus in keiner großen Achtung bei ihren Glaubensgenossen, sondern werden von diesen blos als die Werkzeuge der Launen des Depotismus betrachtet.

(Schluß folgt.)

Des Bischof Heber’s Reisen durch das nördliche Indien.


(Fortsetzung.)

Von seinem Aufenthalt in der alten Hauptstadt Indiens, der Residenz des dermaligen Kaisers von Delhi, des „großen“ Moguls, gibt Bischof Heber folgende Beschreibung:

„Ich zog, von Herrn Elliott begleitet, um acht Uhr beinahe unter denselben Förmlichkeiten wie zu Lucknow ein; Außer daß wir auf Elephanten, statt auf Palankinen saßen, unser Aufzug vielleicht minder glänzend, und die Bettler weniger zahlreich, ungestüm und zudringlich waren. Die Palasttruppen, in dem Brückenkopf aufgestellt, präsentirten das Gewehr vor uns, und wir zogen durch das stattlichste Portal ein, das ich jemals gesehen habe. Es besteht aus einem prächtigen, gothischen Bogen in Mitte eines großes Thorthurmes, und hinter ihm aus einem langen, gewölbten Gang, gleich dem Chorgang einer gotischen Kathedrale, mit einer kleinen, offenen, achteckigten Vorhalle, ganz aus Granit gebaut, mit schönen Inschriften aus dem Koran und mit Blumen verziert. Von da kamen wir in einen verfallenen, äußerst schmutzigen Stallraum, und wurden von Capitän Grant, dem Garde-Befehlshaber des Mogul, und einer großen Anzahl ältlicher Männer bewillkommt, welche große, mit goldenen Knöpfen versehene Stäbe, die gewöhnliche Amtsauszeichnung dahier, in den Händen trugen.Nun hieß man uns absteigen und zu Fuß weiter gehen; zugleich wurden wir von einem neuen Schwarm Bettler, den Weibern und Kindern der Stallbedienten, belästigt. Wir kamen durch einen andern, reich mit Schnitzwerk versehenen, aber zerfallenen und schmutzigen Thorweg; wo dann unsre Führer, einen Leinwandvorhang aufziehend, in einer Art rauhen Gesanges die Worte riefen: „Heil der Zierde der Welt! Heil dem Asyl der Nationen! dem König der Könige! dem Kaiser Akbar Shah! dem Gerechten! Beglückten! Sieggekrönten!“ Da erblickten wir einen schönen, anmuthigen Hofraum, in Mitte niedriger, aber reich verzierter Gebäude. Gegenüber von uns stand ein offener Pavillon von weißem Marmor, mit Rosenhecke und Quellen zu beiden Seiten mit Teppichen und gestreiften Cortinen festlich umhangen. In ihm sahen wir einen Haufen Leute und mitten unter ihnen den armen alten Abkömmling Tamerlan’s. Herr Elliott verbeugte sich sehr tief, und wir folgten seinem Beispiele. Diese Ceremonie wurde zweimal wiederholt, als wir die Treppen zu dem Pavillon hinanstiegen, wobei die Herolde jedesmal denselben lobpreisenden Ruf über die Größe ihres Gebieters wiederholten. Wir stellten uns nun an der rechten Seite des Throns, (einer marmornen, reich vergoldeten, zwei oder drei Stufen höher stehenden Art von Bettstelle) der Reihe nach auf. Herr Elliott trat vor und verkündete, nach morgenländischer Sitte die Hände kreuzend, dem Kaiser mit gedämpfter Stimme, wer ich sey. Nun trat auch ich vor, verbeugte mich wieder dreimal und überreichte, auf mein Sacktuch gelegt, ein Kästchen mit 51 Goldmohurs in einem gestickten Beutel, so wie es bei den Vabus in Kalkutta üblich ist. Das Geschenk wurde angenommen und bei Seite gelegt, ich aber blieb einige Minuten stehen, während die gewöhnlichen Fragen über mein Wohlbefinden, meine Reisen, die Zeit meines Abgangs von Kalkutta u. s. w. an mich gemacht wurden. So hatte ich Gelegenheit, den alten Herrn etwas genauer anzusehen. Er hatte ein blasses, schmales, aber schönes Gesicht, mit einer Adlersnase und einem weißen Bart. Seine Gesichtsfarbe ist nur wenig dunkler, als die der Europäer. Seine Hände waren klein und zart, und mit einigen Ringen geschmückt, die von bedeutendem Werthe schienen. Hände und Gesicht waren aber auch alles, was ich von ihm sah, denn da der Morgen kalt war, hatte er sich so in Shawls eingemummt, daß er mich unwillkürlich an den Druidenkopf auf den Halbpfennigstücken von Wales erinnerte. Hierauf trat ich zurück und dann wieder vor, um dem präsumptiven Thronerben, der zur Linken seines Vaters stand, (zur Rechten befand sich der Resident) ein Geschenk von fünf Mohurs darzubringen. Nächst mir wurden meine zwei Begleiter mit derselben Feierlichkeit

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_396.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)