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Das Ausland. 1,2.1828

das eiserne). Er theilt sich am Fuß des Bergs. In Felsen gehauen führt links eine Bahn zum Thor und ist in ihrer Fortsetzung nur Saumweg; rechts führt eine andere in tiefer Schlucht zwischen Felsen, nur für einen Wagen breit, mit schroffen Wendungen in die Ebene der Maritza hinab, wo man zur rechten das mit Schnee bedeckte Rillogebirge erblickt.

Obgleich man den Hauptrücken bereits überschritten hat, so sind doch keineswegs alle Hindernisse überwunden: das beschwerlichste und in militärischer Hinsicht wichtigste Hinderniß liegt zwischen Jabrovitz und Kisderven vor Bazardsjik. Ueber zwei Stunden zieht der Weg mühsam zwischen Marmorfelsen am rechten Ufer der Maritza hinab und führt mittelst gefährlicher hölzerner Hangbrücken an steiler Felsenwand vorüber. Bei Saram Beik endlich, drei Stunden vor Bazardsjik, hat man die Ebene erreicht, in welcher der Saumweg vom trajanischen Thor mit dem beschriebenen Weg sich vereinigt. Minder schwierig zwar, aber doch in schlechtem Zustande, führt der weitere Weg bis Adrianopel, durch die sumpfige ungesunde Ebene der Reisfelder bei Philippopel, über unzählige tief eingewaschene Gewässer, durch Gestrüpp, und über ein sehr beschwerliches Terrain bei Hermanli. Die Strecke zwischen Philippopel und Adrianopel ist volkreich und fruchtbar; arm die zwischen Sophia und Bazardsjik.

2) Die Straße aus der Gegend zwischen Nikopel und Rustschuk über Tyrnova nach Adrianopel.

Auch auf dieser Strecke finden sich Spuren der großartigen Werke der Römer. Zwei Stunden vor Tyrnova bis in diese Stadt und zwischen Drenova und Zablova verfolgt man die ehemalige Bahn einer römischen Straße. Für Wagen und leichtes Geschütz ist der Weg von Rustschuk bis Gablova fahrbar; von hier über das Gebirg bis Kasanlik hinab bedarf er einer Herstellung; aber weiter über Sara bis Hebübsche an der Maritza, wo er mit dem von Sophia zusammentrifft, hat er keine besondere Schwierigkeiten mehr. Bleibt auch über seine Beschaffenheit noch mancher Wunsch übrige, so sind dagegen seine Umgebungen überall bewohnt, und der lachende Anblick der Landschaft zeugt von großer Fruchtbarkeit. Bei Nikobi steht man in der Mitte großer, zum Theil wohlgebauter Dörfer in einer fleißig bebauten Gegend. Noch jenseits Tyrnova wächst die Rebe, und bis Gablova hinauf ist jedes Stück des fetten ergiebigen Bodens benützt. Nur drei Stunden bedarf man um die Höhe vollends zu erreichen; nur drei andere, um bei Kasanlik wieder in einem großen, mit Ortschaften besäten, fruchtbaren Thale zu sey und sofort durch eine gesegnete Landstrecke Adrianopel zu erreichen.

3) Die Straße von Rustschuk nach Konstantinopel. Sie geht über Rasgrad nach Schumla. Hier theilt sie sich in zwei Aeste, von denen der eine über Tschali-Kavak, Karnabad, der andere, näher gegen das schwarze Meer hin, über Pravadis, Aidos nach Umur-Fakih führt, von wo aus man über Kirk-Kilise, Luegas, ohne Adrianopel zu berühren, nach der Hauptstadt gelangt. Reisende, die der Wagen sich bedienen – die dort üblichen Lehnwagen sind mit Büffeln bespannt – und was noch mehr ist, das türkische schwere Geschütz, welches nach den Donaufestungen geht, zieht diese Straße jeder andern vor, ohne Zweifel weil sie die beste ist. Bedenkt man aber, daß selbst in dieser Richtung die sehr beschwerliche Strecke von Karnabad über Fakih gegen Kirk-Kilise zu passiren ist, wo man über steile Höhen und Felsentrümmer hinweg muß, und nach Versicherung eines Augenzeugen, ein leichter Frachtkarren mit acht Büffeln bespannt wird, so kann man sehr leicht die Hindernisse ermessen, die auf den beiden andern, schlechtern Wegen über den Hämus anzutreffen sind.

Allein die Schwierigkeiten eines Zugs gegen Konstantinopel sind, wenn man den Hämus zurückgelegt hat, keineswegs zu Ende. Die Noth, kann man fast sagen, beginnt erst bei Adrianopel. Zwischen hier und Konstantinopel verwandelt sich das Land in wüste Steppen; der Weg führt durch sandigen Boden, über unzählige Höhen, die leicht zu vertheidigen sind, über fünf und siebenzig, im Sommer meist trockene tief eingewaschene Bäche – also kein Wasser; – durch Gegenden, in welchen man keinen Strauch erblickt, — also kein Holz — bis Bujuk- Tschekmedsche (Ponte grande). Hier geht eine fünfhundert Schritt lange, prächtige steinerne Brücke über die Mündung eines durch den Karassu (das schwarze Wasser) gebildeten süßen Sees: in einer Gegend, die noch Jedem, der sie sah, unbezwinglich geschienen hat. Ganz Thrazien hatte Attila im Jahr 450 erobert; die Hauptstadt war allein noch übrig. Da entsank ihm bei Bujut-Tschekmedsche die Ruthe, und er bot die Rechte zum Vergleich. Ein Jahrhundert später schlug der greise Belisar auf derselben Stelle die eingedrungenen Barbaren in die Flucht.

Und stünde man endlich unter den Mauern von Konstantinopel, so darf man nicht vergessen, daß es eine Stadt ist, die schon von den Zeiten der griechischen Kaiser her alte Anstalten für den Fall einer Belagerung, namentlich Zisternen, im großartigsten Maßstabe besitzt.

„Keine Stadt der Welt, sagt Joseph v. Hammer [1] hat so vielfache und so berühmte Belagerungen erlitten; zweimal durch alte Griechen (Alcibiades und Philipp), dreimal durch römische Kaiser (Severus, Maximius, Constantinus), einmal durch die Lateiner (Graf Balduin und der Doge Dandolo 1204), die Perser, die Avaren, die Slaven und die Griechen selber (Michael der Paläologe), zweimal durch die Bulgaren und durch die Rebellen, siebenmal durch die Araber und dreimal durch die Osmanen belagert, sah Konstantinopel, wie keine Stadt der Welt, altgriechische Feldherrn und, altrömische Imperatoren , neurömische Cäsaren und neugriechische Autokratoren, persische Chosroes und arabische Chatifen, bulgarische Krain und flavische Despoten, venetianische Dogen und französische Grafen, avarische Chakane und osmanische Sultane vor ihren Mauern liegen, und vier und zwanzigmal belagert, wurden sie nur sechsmal, durch Alcibiades, Severus, Constantin, Dandalo, Michael den Paläologen und Mahommed II erobert.“

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_433.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2023)
  1. Constantinopolis und der Bosporos örtlich und geschichtlich beschrieben von Joseph v. Hammer. Pesth 1822.