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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 106. 15 April 1828.

Schwedische Volkslieder.


Es sind diese sämmtlichen Lieder aus der höchst verdienstlichen Sammlung alter schwedischer Volksgesänge übersetzt, welche Geijer und Afzelius veranstaltet haben. Sie erschien unter dem Titel: Svenska Folk-Visor fran forntiden, samlade och utgifne af Er. Gust. Geijer och Arv. Aug. Afzelius. Första Delen. Stockholm 1814, hos Strinnholm och Häggström; Andra Delen. Stockholm, 1816, hos Zacharias Haeggström ; tredje Delen, med öfversettningar af motsvarande Skottska Folksanger; ibid. 1816 in gr. 8. In drei begleitenden Heften sind die alten Volksmelodien mitgegeben. Die Sammlung ist mit dem ausgezeichnetsten Fleiße gemacht und nimmt eine Hauptstelle in der Literatur des Volksgesanges ein. Die Herausgeber, welche als Forscher der alten Geschichte und Literatur ihres Vaterlandes mit zu den ersten in Schweden gehören, haben viele Provinzen Schwedens bereist und viele der Lieder zugleich mit den dazu gehörenden Melodien aus dem Munde des Volks aufgenommen; viele sind ihnen von ihren Freunden zugeschickt worden. Mit der gewissenhaftesten Treue geben sie jedesmal ihre Quellen an, nennen sogar einige alte gesangreiche Landsmänninnen, welche ihnen einige Lieder vorsagten und vorsangen. Einem jeden Liede ist eine, theils längere, theils kürzere, oft gelehrte Einleitung vorangeschickt, in welcher auf die entsprechenden dänischen, englischen, schottischen, auch deutschen Volksgesänge Rücksicht genommen worden ist; auch die deutschen Nachbildungen einiger dieser Lieder, namentlich, die von Herder und Kosegarten, so wie die Grimmsche Bearbeitung der dänischen Volksgesänge, sind angeführt; die von E. M. Arndt in einem Heft seiner Zeitschrift: Der Wächter (B. 3. Heft 3 u. 4.) 1816 befindlichen konnten sie noch nicht kennen. Der ganzen Sammlung ist eine geistreiche Abhandlung über den nordischen Volksgesang im Allgemeinen und den schwedischen insbesondere vorangeschickt, deren Verfasser Geijer ist; eine zweite Abhandlung derselben Art, in welcher auch besonders auf die Melodien und namentlich auf den dem Volksgesange des Nordens, und nicht bloß des skandinavischen, eigenthümlichen Kehrreim (Omquäde) Rücksicht genommen ist, beschließt den dritten Band. Auch diese Abhandlung stammt von Geijer. Das Ausland wird sie zu seiner Zeit mittheilen.

Für dieses Mal übergebe ich diese Lieder ohne alle Begleitung, welche indeß nicht ausbleiben soll. Die Uebersetzung ist mit derjenigen Treue gemacht, welche ich für das Haupterforderniß einer jeden Uebertragung eines poetischen Werkes des Auslands halte; doch so, daß der Genius der Muttersprache dabei nicht außer Acht gelassen wird. Vor Allem ist es wichtig, den eigenthümlichen Charakter, oder, mit einem andern Worte, das Volksthümliche in poetischen Werken des Auslandes nicht zu verwischen. Ist dieses überall die erste Pflicht eines Uebersetzers, so muß sie besonders bei Volksliedern nie versäumt werden. Ich schmeichle mir hierin den rechten Ton getroffen zu haben, wenigstens haben gelehrte Freunde, und selbst geborne Schweden, es mich versichert. Das Metrum ist jedesmal treu beibehalten, selbst mit genauer Befolgung der Abweichungen von der Grundregel — der Volksgesang bindet sich, wie man weiß, nicht an die regelrechte Form; der Reim macht in den Originalen oft den bloßen Assonanzen Platz; so auch in der Uebersetzung. Leichtigkeit muß die Sprache des Volksliedes haben — geschrobene Constructionen und dergleichen duldet es nicht.

Dieses mag für diesmal als Einleitung zu den hier folgenden neunzehn Liedern genug seyn. Daß es gerade neunzehn sind, hat eine zufällige Veranlassung.

Stralsund, d. 1. März 1828. Dr. Gottl. Mohnike


 1.
     Der Lindwurm.

Lindwurm er ringelt wohl zur Stube sich hinein,
     Und sie spielten —
Er singet zur Liebsten so lieblich und fein.
     Und sie spielten,
     Sie spielten alle Nächte und spielten alle Tage.

Liebe Jungfrau, ich bitt euch, verlobt euch mit mir,
     Und etc.
Im Haine wollen wohnen dann beide wir,
     Und etc. [1]

Vielen Kummer würd’ ich erfahren sodann,
Wenn geschäh, daß ein Lindwurm würde mein Mann.

Liebe Jungfrau, ich bitt’ euch, verlobt euch mit mir,
O gebt mir ein Mäulchen, dann geh’ ich von hier.

Und auf grünem Anger die Jungfrau geht,
Und siehe, ein seidenes Bette da steht.

Und die Jungfrau lief und der Lindwurm auch,
Doch der Lindwurm war geschwinder im Lauf.

Und die Jungfrau legte in’s Bette sich hinein,
Und der Lindwurm legte zu ihr sich hinein.


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_439.jpg&oldid=- (Version vom 14.11.2023)
  1. Der Refrain geht durch alle Strophen.